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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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ist Araberin und hat ihre Sicht auf die Situation.
    Das ist auch nicht dramatisch, sagte Moritz, es ist sogar zu verstehen, aber es darf sich nicht gegen uns richten.
    Genau! Ich möchte nicht verantwortlich sein, nur weil ich Jude bin und Israel mir am Herzen liegt.
    Aber du erwartest bei ihr eine Neutralität, die sie aufgrund ihrer Sozialisation nicht haben kann. Wir informieren uns auch in unserem Sinne, damit unsere Weltsicht bestätigt wird. Und blenden aus, was uns nicht passt. Wie soll sie differenzieren, wenn sie nicht persönlich andere Erfahrungen macht?
    Moritz hatte recht.
    Hast du je gesehen, was über die arabischen, iranischen und türkischen Fernsehsender und über das Internet an Müll hereinschwappt?, fragte Alfred, an Lügen und Unterstellungen? Das sehen Hunderttausende von jungen Menschen jeden Tag.
    Danke. Jetzt kann ich überhaupt nicht mehr schlafen!, sagte Moritz.
     
    Es hatte sich bewahrheitet. Moritz lag im Bett, hatte das Licht gelöscht und starrte in die Dunkelheit. Es gab Dinge, die würde Zamira nie verstehen. Seit Jahrtausenden lebten die Juden in der Diaspora und hatten die Sehnsucht nach einem eigenen Staat. Dann, nach endlosem Leiden und schließlich dem Holocaust war es so weit: Israel wurde gegründet! Aber seine Nachbarn hatten seit über sechzig Jahren nur ein Ziel: seine Vernichtung! Bis heute flogen täglich Raketen nach Israel, bis heute drohten islamische Länder mit Krieg. Dabei bräuchten die Palästinenser den Staat nur anzuerkennen und schon hätten sie einen eigenen. Aber sie sehnten sich lieber nach einem unerfüllbaren Traum, den ihnen ihre fanatischen Politiker einredeten. Die Palästinenser merkten es nicht, dass sie von radikalen Kräften instrumentalisiert wurden. Es war ein Wunder, dass es nach fünf Kriegen das Land Israel überhaupt noch gab. Und es war ein Wunder, was die Menschen daraus gemacht hatten, trotz aller Widrigkeiten. Moritz konnte es sich gar nicht vorstellen, wie glänzend das Land dastünde, wenn es nicht den Großteil seines Haushalts für Verteidigung aufwenden müsste. Es machte ihn stolz, wenn er an den technologischen Fortschritt und die vielen Patente dachte, die das Land trotz allem zu einem großen Player auf der Weltbühne machte. Er lächelte. Wenn die Araber wüssten, dass ihre Smartphones ohne israelisches Know-how nicht funktionieren würden. Obgleich er nicht in Israel lebte, war es auch sein Land. Es war der einzige Ort, wo er immer willkommen wäre.
     
    Auch Alfred lag lange wach. Es machte ihn traurig, dass alles, was Zamira von der historischen Entwicklung Palästinas wusste, ideologisch gefärbt war. Sie warf Israel Brutalität vor, aber hatte noch nie den Versuch gemacht, sich in die Position der Israelis hineinzuversetzen. Du bist von Feinden umgeben, die nur eines wollen: deine Vernichtung. Und es sind Feinde, die auch ihre eigene Vernichtung in Kauf nehmen würden! Alfred haderte immer mal wieder mit diesem merkwürdigen Land, auch politisch hatte er einiges auszusetzen, aber es war das Land seiner Hoffnung, das Land, in das er gehen könnte, wenn man ihn hier nicht mehr wollte. Hätte es Israel 1933 schon gegeben, wäre der Holocaust so nicht passiert. Israel war mehr als nur das Land der Juden. Es war für alle Juden auf der Erde die Lebensversicherung. So etwas würde eine Palästinenserin niemals begreifen.
     
    Zamira war überrascht, als Moritz am nächsten Tag vorschlug, mit ihm für zwei Stunden in die Stadt zu fahren, er wollte ihr etwas zeigen.
    Sie waren ein paar Stationen mit der U-Bahn gefahren und an der Konstabler Wache ausgestiegen. Fünfzehn Minuten später standen sie vor dem Philanthropin, einem großen Gebäude aus der Gründerzeit. Moritz hatte keine Gelegenheit, Zamira über das Haus zu informieren, denn sofort stürzte ein Mann mit kugelsicherer Weste auf die Straße und fragte streng, was die beiden hier wollten. Er sprach Englisch, denn es war kein deutscher Polizist, sondern ein israelischer Wachmann, der die jüdische Schule bewachte!
    Zamira war unangenehm berührt. Zehn Minuten später war die Schule aus und unzählige Autos, meist mit allein fahrenden Müttern besetzt, fädelten sich vor dem Haupteingang in eine durch Absperrgitter eingeengte Spur. Kinder kamen rasch aus dem Schulgebäude gelaufen und stiegen in einen wartenden Wagen, der davonfuhr, sodass der nächste nachrücken konnte. So ging es ununterbrochen, bis alle Kinder abgeholt worden waren.
    Haben Sie das je vor einer

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