Herr Klee und Herr Feld | Roman
Koranschule oder einer Moschee in Deutschland gesehen?, fragte Moritz, als sie fortgingen.
Nein, sagte Zamira.
Möchten Sie noch zur Jüdischen Gemeinde, oder zur Synagoge? Davor sieht es aus wie im Krieg. Zementblöcke, Mannschaftswagen, schwer bewaffnete Polizei.
Sie schüttelte den Kopf.
Eine Woche war vergangen.
Alfred tat überrascht, als er ins Esszimmer kam und der Frühstückstisch liebevoll dekoriert war.
Happy Birthday!, rief Zamira und drückte ihm ein Küsschen auf die Wange.
Danke, sagte er, ich habe es total vergessen!
Das war eine unverschämte Lüge. Es war nach dem Aufwachen sein erster Gedanke. Er hatte gehofft, dass sein Bruder an seinen Geburtstag denken würde. Alles andere hätte ihn bitter enttäuscht.
Wissen Sie, in meinem Alter ignoriert man besser die Geburtstage, fügte er kokett hinzu.
Hören Sie auf, sagte sie, wenn jemand noch so in Form ist.
Moritz kam ins Esszimmer. Er ging auf seinen Bruder zu, überreichte ihm ein Buch, das in Geschenkpapier verpackt war, zwickte ihm in die Wange und sagte:
Happy Birthday, Freddy!
Auf einen Wink von Moritz begab sich Zamira mit ihm in den Salon. Sie nahm ihre Geige, die sie bereitgelegt hatte, setzte sich an den Flügel und sie begannen, ein Geburtstagsständchen zu spielen. Ein nettes Barockstück von Corelli.
Alfred war gerührt und applaudierte heftig, als es beendet war.
Ihr habt heimlich geübt, sagte er.
Ja, bestätigte Zamira. Vorgestern, als Sie im Jüdischen Museum waren. Damit verließ sie den Raum.
Genau, dachte er. Der Anruf von Frau Hirsch.
Sie hatte im Archiv Unterlagen entdeckt über eine Familie Kleefeld und Moritz hatte ihn gebeten, sie sich anzusehen. Er könne nicht weg, Student Maik hatte sich angeblich angesagt.
Zamira kam wieder. Mit einer Flasche Champagner.
Was? Vor dem Frühstück?, sagte Alfred und drohte spielerisch mit dem Finger.
Für euch Filmleute ist das doch das Frühstück, oder?, sagte sein Bruder.
Sie lachten.
Sie stießen an.
Lechaim!, sagte Moritz.
Ja, sagte Zamira, auf ein langes Leben!
Auf ein langes Leben, sagte Carla.
Lechaim, sagte Alfred und hob sein Glas, dass du an meinen Geburtstag gedacht hast!
Dann tranken sie warmen spanischen Schaumwein.
Es war verdammt heiß an diesem Tag und sie saßen in Alfreds Wohnwagen. Am Vormittag war es dem Regisseur in den Sinn gekommen, den Überfall auf das Büro der Goldminengesellschaft noch einmal zu drehen. Ohne zu erklären, warum! Für Freddy Clay hieß das: langer Ledermantel, Handschuhe, Hut, Stiefel, zwei schwere Colts, anreiten, abspringen, in das Blockhaus stürmen, ein paar Leute erschießen, mit seinem Kumpel die Kiste schnappen, sie raustragen, Dynamitstangen anzünden, sie zur Hütte werfen und sich danach flach auf den Boden schmeißen. Bei fünfzig Grad Hitze.
Jetzt hatte er ein paar Stunden frei. Sie würden die Hütte sprengen. Irgendwann käme ein Regieassistent, um ihn zu holen. Dann würde er davonreiten. Mit seiner Beute. In den Sonnenuntergang. Morgen würden sie ihn hängen.
Als er heute Vormittag zum Set ging, glaubte er, eine Geistererscheinung zu haben. Zuerst dachte er, es ist irgendeine Kollegin, die da im Gegenlicht stand und ihn beobachtete, aber als er näher kam, erkannte er sie: Carla!
Warum war sie im Juni 1978 plötzlich nach Andalusien gekommen, um ihren ehemaligen Geliebten zu sehen? Sie fiel ihm um den Hals und er hielt sie fest. Irgendwann sagte er zu ihr, sie würde sich schmutzig machen, und hatte auf seinen staubigen Mantel gezeigt.
Während sie zu seinem Wohnwagen gingen, erzählte sie ihm, dass sie über das Studio den Drehort erfahren und sich als Journalistin ausgegeben habe, um hierherzukommen. Während er unter der Dusche stand, redete sie ununterbrochen weiter. Sie erzählte von ihrer Karriere, die er im Lauf der Jahre aufmerksam verfolgt hatte, aber auch davon, dass es für sie jetzt, mit dreiundvierzig, langsam bergab ging.
Er wollte das nicht glauben, denn sie war doch eine großartige Sängerin, hatte in allen Opernhäusern der Welt gastiert. Meine Zeit ist vorbei, sagte sie.
Er könnte gewiss noch mit siebzig Banken überfallen, aber für sie wurden die Parts immer weniger. Neue Talente rückten nach. Außerdem wollten die jungen Regisseure mit jungen Leuten arbeiten. Sie hatten Angst davor, von älteren Profis belehrt zu werden. Das konnte Alfred nur bestätigen, als er, nur mit einem Handtuch bekleidet, aus der Dusche kam.
Wann hatten sie sich das letzte Mal gesehen? Vor
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