Herr Klee und Herr Feld | Roman
der Halle standen. Ein junger Verkäufer kam auf ihn zu.
Kann ich Ihnen helfen?, fragte er.
Vielleicht, meinte Alfred. Das »R« in Ihrem Namen. Steht das für Raimund?
Ja, sagte der Verkäufer. Das ist der Seniorchef. Seit ein paar Jahren wird der Laden vom Junior geleitet.
Ist der vielleicht zu sprechen?, fragte Alfred.
Einen Moment, sagte der Verkäufer und ging nach hinten in ein Büro. Alfred setzte sich in ein Stahlmöbel, das neben einem eindrucksvollen Ficus stand. Er blätterte in Prospekten, als ein korpulenter Mann um die fünfzig auf ihn zukam. Alfred erhob sich, der Mann gab ihm die Hand.
Michael Rübsam, was kann ich für Sie tun?
Ich habe Ihren Vater gut gekannt, als das hier noch eine Klitsche war, mein Name ist Kleefeld.
Mein Vater ist im Ruhestand, sagte Rübsam.
Es gibt ihn also noch.
Und wie! Er ist gut drauf. Es war schwer, ihn davon zu überzeugen, hier aufzuhören.
Das glaube ich. Raimund, der Schrauber, war ein Besessener.
Das stimmt!
Der Mann lächelte.
Er kommt morgen rein. Soll ich ihm was ausrichten?
Das wäre nett, sagte Alfred, vielleicht kann er sich mal bei mir melden. Hier ist meine Nummer.
Er gab ihm einen Notizzettel.
Wird gemacht.
Die Frau hat ganz recht, sagte Alfred beim Abendessen, nachdem Moritz ihm von dem Interview berichtet hatte. Entweder man glaubt an das Higgs-Teilchen und die Antimaterie oder an Gott.
Unsinn, beides ist möglich.
Dann erkläre mir bitte, warum ein Gott, der dies alles geschaffen haben soll, über 15 Milliarden Jahre wartet, um nachzusehen, ob Moritz Kleefeld von einem koscheren Teller ist!
Darum geht es nicht. Ich mache das nicht für Gott, sondern für mich. Ich lasse mich nicht treiben, wie du es tust. Ich gebe mit diesen Regeln meinem täglichen Leben Struktur. Es hat etwas Mönchisches, könnte man sagen. Ich spreche ja kein Morgengebet oder lege tefillin.
Nein, sagte Alfred, du hast dir aus dem Supermarkt des Herrn das Bequemste herausgepickt. Ein wenig koscher, ein bisschen Schabbes …
Moritz hatte genug.
Du hast eine wunderbare Gabe, alles zu banalisieren. Damit kann man jede Diskussion abwürgen. Das macht keinen Spaß. Du hast es nicht gelernt, ehrenhaft zu streiten. Verschiedener Meinung zu sein, ohne den anderen zu verletzen.
Ja, großartig! Du bist der talmudischen Tradition verpflichtet, wo man sich darüber streitet, ob man sich streiten darf und wie man sich ordnungsgemäß streitet.
Ich sollte dich bedauern, denn du hast keine Ahnung, sagte Moritz. Es ist genau diese talmudische Tradition der kultivierten Auseinandersetzung, des konstruktiven Streits und des Klärens, die das Judentum auszeichnet.
Alfred lief zur Höchstform auf, als er den Oberkörper vor- und zurückwiegte und rief:
Rabbi Elieser sagt: Ein Furz stinkt! Rabbi Rambam aber erwidert: Ein Furz stinkt nur, wenn man an ihm riecht. Der weise Rabbi Nachman sagt: Ein Furz stinkt nur, wenn man ihn lässt. Und der edle Zaddik Jesaja, geehrt sei sein Andenken, erwidert: Ein Furz stinkt nur, wenn jemand im Zimmer ist.
Moritz ärgerte sich zwar über seinen Bruder, aber lachen musste er trotzdem.
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17
Nachbarn schauten neugierig zu, als der Abschleppwagen von R. Rübsam in der Einfahrt stand und den Mercedes auf die Ladefläche hievte.
Am Morgen hatte Raimund angerufen und sich lang mit Alfred unterhalten. Der alte Schrauber erinnerte sich an viele Begebenheiten von damals und wusste über jeden zu berichten.
Der Blackwood ist schon lange tot, sagte er, auch seine Frau. Sie hat noch ein paar Jahre das Lokal geführt, aber dann lief es nicht mehr. Heute macht doch jeder Pizza frei Haus.
Und die Fahrer? Der Bimbo, der Simon, Herman the German?
Der Bimbo ist Musiklehrer gewesen, soviel ich weiß. Der Hermann hat sich totgesoffen und der Simon ist ein reicher Mann. Übrigens bis heute ein treuer Kunde.
Das ist doch schön.
Und du bist ein Filmstar! Hab alle deine Filme gesehen und hab immer zu meinem Sohn gesagt: Den kenne ich! Den Freddy Clay! War mal ein Kumpel von mir, früher! Vorhin hat er zu mir gesagt, ei Papa, der hat mir nicht gesagt, dass er der Freddy Clay ist, dann hätte ich mir doch ein Autogramm geben lassen!
Alfred lachte.
Kein Problem, ich gebe dem Fahrer eins mit.
Super! Mach das. Da freut er sich, mein Michael. Ein guter Bub. Hat’s nicht einfach mit mir. Du kennst mich. Bei mir werden keine Gefangenen gemacht! Hat doch der alte Blackwood immer gesagt: No prisoners taken, hat er immer gesagt. Mein Gott, wie lang
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