Herr Klee und Herr Feld | Roman
ist das her?
Und du, du alter Ami?, fragte er dann. Verheiratet?
Nein, sagte Alfred, bin immer Single geblieben.
Richtig so, sagte der Alte, warum wegen einer die ganze Kundschaft aufgeben, gell?
Er lachte über seinen eigenen Witz.
Also, sagte er zum Schluss, ich schick nachher den Schlepper vorbei, der bockt euren Benz auf und wir schauen mal, was da zu machen ist. Wäre ja gelacht, wenn wir den nicht wieder flottkriegen würden. Ist doch ein Schmuckstück, so ein Auto. Die Leute werden mit der Zunge schnalzen, wenn die den sehen.
Danke, Raimund, sagte Alfred.
Jetzt war der Wagen festgezurrt und der Abschleppwagen setzte sich langsam in Bewegung.
Moritz und Alfred standen an der Straße und sahen ihm hinterher, wie besorgte Eltern, die ihr Kind auf Klassenfahrt schicken.
Zwei Stunden später war für Alfred nichts mehr wie vorher.
Moritz saß bereits am Tisch und wartete auf seinen Bruder.
Ich habe ihn schon zweimal gerufen, sagte Zamira, ich schau mal.
Nein, ich mach das schon.
Moritz stand auf und ging los.
Er kam mit Schwung an die Tür, klopfte und rief:
Freddy! Lunch is ready!
Keine Antwort.
Alfred?
Besorgt öffnete Moritz die Tür.
Was ist los mit dir?
Alfred lag auf der Ledercouch. Wie eine Diva.
Den Unterarm über der Stirn, in der Hand einen Brief.
Moritz kam näher.
Nu, was ist?
Alfred ließ den Brief hinabgleiten.
Eine Katastrophe, sagte er mit gebrochener Stimme, er kommt. Der Miesnik.
Howard?, fragte Moritz.
Alfred setzte sich.
Harold! Er heißt Harold!
Moritz hob den Brief auf.
Was will er hier?
Alfred sprang auf.
Was er will? Kannst du dir das nicht denken? Geld! Er will mich fertigmachen! Er will sich rächen!
Alfred nahm Moritz den Brief aus der Hand und sagte:
Moritz! Seine Mutter hat ihn aufgehetzt. Hier! Er will mit mir etwas besprechen! Stell dir vor! To discuss some vital issues! Er imitierte einen versnobten Engländer. Pretty relevant!
Vielleicht ist es doch wichtig.
Wichtig!, rief Alfred, was kann das sein? Hn? Will er sexuell aufgeklärt werden von seinem Vater, mit fünfzig!? Was denkst du?
Reg dich nicht auf. Gut, er kommt. Das muss noch nichts heißen.
Aber Alfred regte sich weiter auf:
Ich habe diesen Jungen kaum gesehen. Es war ein Ausrutscher!
Ich weiß. Seine Mutter war eine mannstolle Person, die dich verführt hat.
Hat sie auch!
Wenigstens war sie jüdisch, sagte Moritz.
Das interessiert dich! Hauptsache koscher! Miss Bloomland!
Miss Bloomland!? Der Aufnahmeleiter lief verzweifelt über das gesamte Filmset, eine unwirtliche Burg im schottischen Hochland, und suchte eine Kleindarstellerin. Die war in Alfreds winziger Kammer gelandet, auf seiner Couch und in seinen Armen. Debra Bloomland war von der ersten Sekunde an Alfreds Charme erlegen. Bereits bei den »kalten« Proben, bei denen nur die Dialoge gesprochen wurden, setzte sie sich demonstrativ neben Alfred, obwohl sie nur zwei kurze gemeinsame Szenen hatten.
Der Film »The Riot« spielte im Mittelalter, in einem rauen Landstrich, wo Hunger, Pest und Ausbeutung herrschten und ein tyrannischer Fürst, der Jungfrauen ohne Ende verbrauchte. Immer wieder mussten ihm die gepeinigten Bauern ihre Töchter übergeben, um so ihr eigenes Leben zu retten. Wenn der Fürst dann der jungen Frauen überdrüssig wurde, ließ er sie unter dem Jubel seines Hofstaats von den Zinnen seiner Burg werfen, wo unten bereits hungrige Wölfe auf die Mahlzeit warteten. Nun hatte der Unhold aber einen zart besaiteten Sohn, dargestellt vom jungen Freddy Clay, der noch ein Gewissen hatte. Und als der eines Tages die »Jungfrau des Monats« in der Burg entdeckte, entschloss er sich, sie zu retten. Das tat er schließlich auch, aber für ihn nahm die Sache kein gutes Ende. Er landete im Verdauungstrakt eines Wolfes. Der garstige Vater indessen blieb auch nicht verschont. Die Bauern erhoben sich gegen ihn und er hatte sich bei einer seiner Jungfrauen angesteckt, allerdings nicht mit der Syphilis, sondern mit der Beulenpest.
Debra Bloomland, eine junge, nicht sonderlich begabte Schauspielerin aus London, verkörperte eines der bedauernswerten Opfer. Sie hatte insgesamt etwa vier Sätze zu sprechen, maß diesen aber eine ungeheure Bedeutung bei, sodass sie Alfred bat, ja ihn förmlich bekniete, mit ihr Text zu üben. So landeten die beiden rasch im Bett und hatten eine heiße gemeinsame Drehwoche im kalten schottischen Sommer.
Debra stammte aus einem biederen jüdischen Elternhaus im Londoner Eastend, also
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