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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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gut war. So eine Art Concierge im Haus des Lebens. Inzwischen, nachdem wir festgestellt hatten, dass es über dem blauen Himmel noch einen schwarzen Himmel gibt und dahinter noch einen und noch einen, suchte der Homo sapiens nach immer neuen Formen zur Darstellung Gottes. Ich würde Ihre Frage umkehren wollen: Gott existiert für uns, solange wir existieren. Und wenn wir nicht mehr sind, sind es andere, die ihn imaginieren und nach seinem Wesen forschen.
    Sie ziehen sich aus der Affäre, sagte sie. Warum können Sie nicht einfach Gott infrage stellen?
    Weil Gott in uns ist. Weil selbst der gottloseste Mensch in der Not ausruft: Mein Gott! Als ich ein Teenager war, es war die Zeit des Existenzialismus, haben viele mit Gott gehadert, ihn für tot erklärt und einige, zu denen ich mich zählte, haben ihn strikt abgelehnt. Irgendwann habe ich laut gerufen: Es gibt keinen Gott! Und eine Sekunde später gedacht: Hoffentlich hat er das nicht gehört!
    Dann ist Gott also tradiert und anerzogen?
    Gott nicht, aber der Gottesbegriff. Früher, als die Menschen noch in Höhlen lebten, waren jeder Regen, jedes Gewitter und jedes andere Naturereignis von einer höheren Macht bestimmt. Die Menschen überlegten, was haben wir getan, dass wir jetzt so gemahnt oder gar bestraft werden. Sie gaben sich unbewusst einen moralischen Kompass. Religion ist ja nichts anderes als Regeln, die sich Menschen gegeben haben, lange bevor es Gesetze gab, die von der Gemeinschaft formuliert wurden. Damit nun der einfache Mensch von damals auch tunlichst nicht sündigt, hat er sich ein Gottesbild gegeben, das darin bestand, dass Gott alles rächen würde, was nicht in seinem Sinne ist.
    Dann ist die Religion schlicht eine Erfindung der Menschen?
    Klar, was dachten Sie denn?
    Ich dachte, sie kommt von Gott. Hat er nicht Moses und Mohammed seine Gesetze diktiert?
    Ich versuche es mit einem Beispiel. Sie kommen jeden Tag unpünktlich ins Büro. Immer wieder sagen Ihnen die Kollegen, Mensch, komm doch endlich pünktlich! Aber Sie ignorieren es. Gestern aber sagte ein Kollege mit strengem Blick, ich kann dir nur raten, komm morgen pünktlich, der Chef hat schon böse geschaut! Und was passiert? Aus Angst vor dem da oben kommen Sie in Zukunft pünktlich!
    Okay. Die Religion ist also eine Erfindung von ein paar pfiffigen Menschen! Wollen Sie das damit sagen?
    Ja. Religion besteht aus Regeln und Ritualen, die von uns Menschen gemacht sind. Sie ist die Übersetzung des angeblich göttlichen Diktats in eine für uns verständliche Sprache, von gescheiten Dolmetschern, die Moses, Jesus oder Mohammed hießen. Wenn zum Beispiel geschrieben steht, ihr sollt kein Schweinefleisch essen und nur Gekochtes oder eure Knaben beschneiden oder eure Toten sofort begraben, dann sind das im Grunde reine Hygienevorschriften, die religiös verpackt sind, denn freiwillig hätten die Menschen sich nicht gewaschen, hätten Trichinen gegessen und die Toten herumliegen lassen.
    Dann ist Gott also eine Erfindung?
    Nicht Gott, Verehrteste, die Religion!
    Ich sehe schon, Ihnen ist nicht beizukommen, Professor. Sie glauben verbissen an Ihren Gott.
    Darf ich bitte Einstein zitieren: »Ich bin ein tief religiöser Ungläubiger.« Wenn ich mir jedoch die großartige Struktur der Natur besehe, die wir nur unvollkommen verstehen, dann erfüllt das eine denkende Person mit Demut. Demut ist ein zutiefst religiöses Gefühl. Die Idee eines persönlichen Gottes ist mir allerdings fremd, und ich halte sie auch für naiv.
     
    Alfred war zufrieden mit sich, er hatte die kleine Straße in Eschersheim sofort gefunden, trotz der Neubauten. Und als er vor der modernen Autowerkstatt stand, konnte er es nicht glauben. Hier war es, hier war er total aufgelöst nachts mit seinem Pizzakäfer bei Raimund, dem Schrauber, angekommen, nachdem er eine Delle in den Kotflügel gefahren hatte. Aufgeregt hatte er Raimund aus dem Schlaf gehämmert, denn sein Boss, Mister Blackwood, durfte davon auf keinen Fall erfahren. Es hätte Alfred den Job kosten können.
    Sag mal, Freddy, spinnst du, schrie Raimund aus dem Fenster seines Gartenhäuschens, du hast mich grad aus ’ner Braut geholt!
    Egal, eine halbe Stunde später war keine Delle mehr zu sehen. Einen Zwanziger, oder ein »Pfund«, wie es damals hieß, war das wert.
    Autohaus R. Rübsam stand groß an dem ausladenden Gebäude. Und es war eine Niederlassung von Mercedes-Benz! Alfred betrat den Laden, sah kurz zu den neuen, glänzenden Limousinen hinüber, die in

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