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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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das Wort golem das Synonym für Dummkopf.
     
    In dem Film, der damals in Prag gedreht werden sollte, kam es zu einem hoch dramatischen Showdown zwischen dem echten und einem falschen Golem, dazwischen Alfred, als Rabbi Löw, der sich schließlich opfern musste, um seine Gemeinde zu retten.
    Es war für Alfred selbstverständlich, dass er ein paar Tage vor Drehbeginn durch die Gassen der Stadt zum alten Jüdischen Friedhof spazierte, um dort dem großen Rabbi Löw die Ehre zu erweisen und dessen Grab aufzusuchen. Er war beeindruckt von der Anlage des mittelalterlichen Friedhofs, wo Tausende von Grabsteinen eng aufrecht beieinanderstanden und der den Naziterror nur deshalb überstanden hatte, weil Himmler den Friedhof als letzte Hinterlassenschaft einer ausgestorbenen Kultur erhalten wollte.
    Wie auf jüdischen Friedhöfen üblich, suchte Alfred nach einem Stein, um ihn auf das Grab des Rabbis zu legen. Jeder Stein auf einem Grab beweist, dass man die Toten nicht vergisst. Woher das stammte? Nun, ein Ritual, das sich wohl daher ableitete, dass die Juden vor Tausenden von Jahren als Beduinen durch die Wüste zogen und ihre Toten flach begruben. Um die Verstorbenen vor wilden Tieren zu schützen, legte man Steine auf die Gräber. Wenn die Karawane auf der nächsten Tour wieder an den Gräbern vorbeizog, wurde kontrolliert, ob sie inzwischen nicht geschändet worden waren, und gegebenenfalls wurde nachgebessert, indem man wieder Steine auf die Gräber legte.
    Alfreds Suche nach einem Stein, erwies sich als schwierig, denn zahllose Besucher vor ihm hatten bereits Steine niedergelegt. So musste er ein wenig im Boden scharren und er fand schließlich ein merkwürdig leichtes Gebilde. Es war kein Stein, sondern der Wirbelknochen eines Menschen! Nicht unmöglich, dass es sogar ein Wirbel des Rabbi Löw war. Alfred steckte den Knochen ein, nahm einen Stein von einem Nachbargrab, deponierte ihn beim Rabbi und ging seiner Wege.
     
    In den darauf folgenden Jahren hatte ich das Gefühl, dass der Wirbel des Rabbis mir Glück brachte.
    Ist eine schöne Geschichte, sagte sie.
    Nachdem ich von Rom nach Frankfurt gezogen war, sagte er dann, zeigte ich eines Tages meinem Bruder den Talisman. Moritz war gar nicht begeistert, im Gegenteil: Er war außer sich! Was würde geschehen, wenn meshiach, also der Messias, käme und die Toten nach Jerusalem riefe? Dann könnte der Rabbi Löw sich nicht erheben und sich auf den Weg machen.
    Zamira schaute verwundert.
    Ich war genauso perplex. Gut, ich wusste inzwischen, dass mein Bruder sich intensiver der Religion zugewandt hatte, dass er koscher aß und die Feiertage einhielt, aber dass er dermaßen fromm geworden war und an diese absurden Märchen glaubte …
    Was passiert mit den Toten von Auschwitz, die nur noch Asche sind?
    Deren Seelen sind bereits in Jerusalem, antwortete mir Moritz voller Überzeugung.
    Aha, die sind Economy geflogen, aber Rabbi Löw muss laufen, als Zombie.
    Ich habe keine Lust, mit dir darüber zu diskutieren, sagte mein Bruder, was du getan hast, ist Frevel. Du wirst nach Prag fahren und den Wirbelknochen zurücklegen.
    Okay. Wenn es dich beruhigt, dann baue ich den Rabbi wieder zusammen, sagte ich.
    Und, fragte Zamira, während sie sich den Wirbelknochen ansah, werden Sie das machen?
    Vielleicht.

[zurück]
    19
    Alfred stand in einem Pulk von Menschen, die auf ankommende Passagiere warteten. Alles schaute auf die sich immer wieder öffnende und schließende Tür, durch die die Fluggäste kamen. Man konnte hier interessante Studien treiben, dachte er. Frauen begrüßten sich herzlicher, drückten sich aneinander, Männer dagegen beugten sich unbeholfen vor, hauten sich gegenseitig plump auf den Rücken. Dass man sich Küsschen links und rechts gab, wäre vor ein paar Jahren in Deutschland noch undenkbar gewesen. Besonders bei Männern. Alfred beobachtete amüsiert einen Hund, der sein Herrchen begrüßte und sich kaum noch beruhigen konnte vor Glück und Übermut. Das war echte, unverfälschte Freude.
    Ein Junge, etwa fünfzehn Jahre, sprach Alfred unvermittelt an:
    Entschuldigung, sind Sie nicht Freddy Clay?
    Alfred war überrascht.
    Ja. Woher kennst du mich?
    Der Junge strahlte.
    Ich bin ein Horrorfilm-Fan! Ich kenne alle Ihre Filme! Krieg ich ein Autogramm?
    Alfred zog ein Foto von sich heraus.
    Gern … für?
    Tobias, sagte der Junge, aber schreiben Sie Toby.
    Alfred schrieb, als ein Mann neben ihm auftauchte und in englisch gefärbtem Deutsch sagte:
    Kann ich

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