Herr Klee und Herr Feld | Roman
Alfred.
Der Regisseur hatte die Spitze nicht verstanden und sagte:
Nein, wir melden uns bei Ihnen!
Alfred verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln.
Alles klar.
Als Zamira in Alfreds Zimmer am Abstauben war, entdeckte sie auf dem Schreibtisch einen Zettel. Sie nahm ihn hoch, sie hatte ihren Namen gelesen:
Zamira Latif, geb. 09 . 10 . 84 , ausgeglichen, Sinn für Ästhetik, aber auch nörgelig und besorgt …
Plötzlich stand Alfred hinter ihr und hüstelte.
Zamira erschrak.
Pardon, ich habe meinen Namen gelesen …
Ja. Das ist Ihr Profil. Setzen Sie sich.
Zamira setzte sich auf die Couch.
Alfred nahm den Zettel und begann:
Dass Sie intelligent, schön und harmoniebedürftig sind, sollte Ihnen nicht entgangen sein, aber es gibt etwas, was Sie belastet und was Sie verunsichert. Es ist der Grund Ihres Misstrauens.
Ist nicht schwer zu raten. Mein Ex und so.
Nein, es hat mit Ihrer Kindheit zu tun. Ich denke mit Ihrem Vater.
Sie sah ihn überrascht an.
Sie sind ein Hellseher.
Wollen Sie es mir sagen?, fragte er.
Sie blieb stumm und überlegte, ob sie sich ihm anvertrauen sollte. Dann sagte sie leise:
Mein Vater ist nicht an einer Krankheit gestorben. Er wurde getötet …
Der Bulldozer näherte sich dem kleinen Haus. Einige Frauen rannten ihm entgegen, schrien. Sie versuchten, auf die israelischen Soldaten einzureden, die neben dem Caterpillar herliefen. Der senkte die Schaufel und kam nun dem Haus gefährlich nah. Die Soldaten zeigten keine Reaktion. Plötzlich tauchten ein paar Männer auf, darunter auch Rafid Latif, Zamiras Vater. Sie umringten die Soldaten, diskutierten mit ihnen. Rafid, der in Israel arbeitete, sprach hebräisch und es gelang ihm, zuerst mit einem Offizier und dann mit dem Baggerfahrer zu sprechen. Das Haus, so erklärte er, sei zwar ohne Genehmigung errichtet worden, aber inzwischen habe die Eigentümerin einen Antrag gestellt, über den in zwei Monaten beschieden würde. Eine Frau kam und zeigte den Soldaten ein Papier. Nach ein paar Minuten gaben sich alle die Hand und die Soldaten und der Bulldozer zogen sich zurück. Rafid wurde umringt, geküsst und umarmt, alle bedankten sich bei ihm. Zwei Stunden später wurde er erschossen und vor seiner Haustür abgelegt. Dort fand ihn seine kleine Tochter Zamira. Ihr Vater sprach hebräisch, hatte in Israel gearbeitet und sich mit den Israelis arrangiert. Für die Fanatiker der Fatah war er ein Kollaborateur, ein Verräter.
Wie sind Sie damit fertiggeworden?, fragte Alfred.
Man hat mir erzählt, das waren die Israelis und er ist ein Märtyrer. Erst später habe ich die Wahrheit erfahren.
Sie erhob sich.
Ich muss in die Küche.
Alfred wollte nicht weiter forschen und setzte sich hinter seinen Laptop. Dabei legte er achtlos einen grauen Gegenstand zur Seite.
Ist das ein Stein? Kann der weg?, fragte sie.
Nein, das ist kein Stein. Es ist der Wirbelknochen eines Menschen. Ich habe ihn aus Prag mitgebracht.
Wann war das?
In den Achtzigern. Setzen Sie sich doch wieder hin. Ich erzähle Ihnen eine spannende Geschichte.
Sie nahm wieder Platz.
Alfred stand auf.
Ich war für eine Hauptrolle engagiert. Ich sollte in einem Remake des »Golem« den berühmten Rabbi Löw spielen, der den Homunkulus aus Lehm geschaffen hatte und ihn in die Welt brachte, ähnlich dem Doktor Frankenstein und seiner Kreatur. Kennen Sie die Geschichte vom Golem?
Nein.
Im Jahr 1580 stand in Prag eines der beliebten Pogrome an, wieder einmal bezichtigte man Juden des Ritualmords. Da hörte der weise und verehrte Rabbi Yehuda Löw im Traum eine Stimme, die ihm befahl: Schaffe aus Lehm einen Golem und überwinde das feindselige Gesindel, das den Juden übelwill! Mit seinem Schwiegersohn begab sich der Rabbi des Nachts zum Strand der Moldau und sie formten eine große menschliche Gestalt aus Lehm. Mithilfe eines Gebets erwachte der Golem zum Leben. Er wurde angekleidet, bekam den Namen Joseph und arbeitete von nun an als stummer schammes, als Synagogendiener. Seine Befehle erhielt er durch Zettel, die man ihm unter die Zunge legte.
Als sich nun das Pessachfest näherte, bemerkte der Golem, dass die Christen ein totes Kind im Juden-Getto ablegen wollten, um die Juden des Mordes zu bezichtigen. Da wurde der Golem ziemlich ungehalten und erschlug etliche Bösewichte. Später aber wurde er zu selbstständig, entzog sich der Kontrolle seines Herrn, berserkte herum und musste leider vom Rabbi zerstört werden. Übrigens, noch heute ist im Hebräischen
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