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Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
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Probleme gehabt. Ich bin nie krank, habe mir noch kein Bein gebrochen und keinen Zeh verstaucht, und nicht einmal Erkältungen scheinen sich an mir festbeißen zu können. Aber das dauerhafte Gefühl, verfolgt zu werden, wird mich sicher verwirrt, nervös und krank machen. Frieren kann ich aushalten, aber nicht, verfolgt zu werden. Ich weiß, dass ich mich niemals werde entspannen können, wenn Blaubart und seine Mannschaft ständig in der Nähe sind. Wenn ich die viertausend Kronen nicht bezahle, muss ich die Stadt verlassen. Wenn ich bezahle, dann werden sie mir nur weiter ihre Odinpillen anbieten, oder sie werden mich weiter bedrohen und versuchen, Geld aus mir rauszupressen.

    Und wie ich so auf dem Rücksitz des Chrysler sitze, wird mir klar, was ich tun muss, um meinen Alltag zu verändern. Ich denke den Gedanken nicht einmal richtig fertig, ich liege mit den Beinen auf dem Lenkrad und nage an meinen Rippchen, als der Gedanke in den Körper geflogen kommt – Zucken im Bauch –, vielleicht durch die Erschöpfung oder die Aussichtslosigkeit. Gerechtigkeit. Das denke ich. Gerechtigkeit, Gerechtigkeit ausüben. Vergiss alle anderen Ideen, jetzt ist es definitiv, ich werde mich als die wahre Gerechtigkeit betätigen oder auf jeden Fall allen Arten blauer Bärte einen gehörigen Schrecken einjagen. Ich begreife ganz einfach, dass ich nicht mehr viel zu verlieren habe. Das Leben, ja, natürlich, aber welches Leben denn? Ganz gleich, wie weit unten ich war, wie schmutzig und von Zwängen gedrückt ich war, habe ich doch nie erwogen, meinem Leben ein Ende zu setzen. Hingegen denke ich immer darüber nach, ein neues Leben anzufangen. Ein besseres Leben? Vielleicht. Ich weiß, dass Zwänge und Rituale mich immer verfolgen werden, ich also gezwungen bin, diesen Teil des neuen Lebens als gegeben zu akzeptieren. Was kann dann neu sein? Ich kann umziehen. Umziehen. Ich werde sowieso nicht weiter hier in Oslo wohnen. Die Stadt erstickt mich, ich werde hier niemals ein glückliches Leben haben können, und ich werde auch nicht entspannen, lassen und neu anfangen können, solange Blaubart mich jagt. Ich werde umziehen, es wird mir klar, dass das hier der Anfang des neuen Lebens ist. Der Umzug. Aber erst die Lösung. Beim Feind einzubrechen ist sehr viel moralischer, als vom Feind gesponserte Drogen zu nehmen. Das würde sich wie ein schöner letzter Gruß anfühlen, eine Erinnerung an meine Existenz.

    Zucken im Bauch, Geräusch – Lachen und gute Nacht, Blaubart.

    Im Auto finde ich einen kleinen rostigen Hammer und einen dünnen, aber doch harten Nagel. Genau, was ich brauche.

    Ich lege Hammer und Nagel zusammen mit meinem Radiowecker, einem Liter Saft und einem halb gegessenen Rippchen in Papas Ledertasche. Die Odinserviette tue ich in die Manteltasche ohne Loch. Ich nehme die Krücke aus dem Kofferraum und laufe zur nächsten Telefonzelle. Ich habe Glück, der Anrufbeantworter ist eingeschaltet. Auf die Frage »Hallo, hier ist Radio O, worum geht es?« antworte ich mit »Hallo, hier ist Kristinus, ich kann heute nicht arbeiten, bin wegen des Fußes ein paar Tage krankgeschrieben, aber morgen Nacht werde ich Alternativ Elektrisch wie immer machen … danke und tschüss«.

    Schnell wandere ich durch den Nordteil der Stadt, wandere und ritualisiere ungefähr eine Stunde, bis ich ein paar hundert Meter vor dem Eingang zum Sender stehe. Ich verstecke mich auf einem Spielplatz hinter einer kleinen Hütte, mit perfektem Blick auf den Eingang. Von hier aus kann ich sehen, wer kommt und wer geht. Nach ein paar Stunden des Spionierens zeigt es sich jedoch, dass niemand kommt und nur zwei gehen. Es sind Nina und Karin, die den Sender um Mitternacht verlassen, nachdem sie ihr Programm AbendAlternativ beendet haben. Um diese Zeit hält sich auch immer der Redakteur, den ich im Verdacht habe, Blaubart selbst zu sein, in den Redaktionsräumen auf. Aber ich sehe ihn nicht. Ich warte eine weitere Stunde, nichts passiert. Gegen ein Uhr verschaffe ich mir Zugang zum Sender. Es geht erstaunlich leicht – fünfundvierzig Minuten später bin ich in den Redaktionsräumen. Vielleicht sollte ich mir eine halbe Odin reinziehen, um nicht zu lange vor der Tür zum Büro steckenzubleiben. Aber ich habe Angst, dass das Odinzeug mich langsam und nachlässig macht, was die ganze Operation gefährden und meine, wie ich selbst finde, geniale Lösung auffliegen lassen könnte. Also verzichte ich darauf, das Gehirn muss sauber bleiben.

    Das Einzige, was

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