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Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
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Er hat Hilfe bekommen. Dann erzählt er weiter, wie anstrengend das war. Er nennt ein Beispiel, und da lachen sie. Der Professor mit der etwas trockenen Stimme kommentiert das Verhalten des Jungen. Ich empfinde es wie eine absichtliche Provokation, da sitzen sie und lachen über etwas so Schreckliches. Das ist Hohn, eine Verhöhnung meiner Persönlichkeit und meines Lebens, eine Verhöhnung aller, die es nicht so leicht haben wie der kleine Scheißer da im Studio. Ich bin abartig wütend, aber auch froh und erleichtert. Und ich warte. Die Sendung geht weiter, die Aggressionen verebben, die Fröhlichkeit bleibt. Und ich warte. Und warte. Warte darauf, den Namen des Professors im Studio zu erfahren. Gegen Ende der Sendung erhören sie mich endlich:

    »Und mit im Studio war Professor Per Mindus vom Karolinska Krankenhaus in Stockholm.«

    Ich schreibe den Namen auf und schreibe dann weiter meine Gedanken auf das Infoblatt der Interrailkarte nieder – wie mein Leben ist, wie es war, wie es sein wird. Der Professor soll nur erfahren, dass es alles andere als lustig ist, so zu leben wie ich. Ich schreibe und schreibe, die Worte werden größer, verwandeln sich rasch in einen Brief, einen spontanen und direkten und absolut unredigierten Brief. Während ich schreibe, schwanke ich zwischen Fröhlichkeit und Erleichterung. Es ist etwas geschehen. Ich dachte, ich sei der Einzige auf der ganzen Welt, ich dachte, es gäbe keine anderen Menschen mit solchen verrückten Superidiotengedanken wie ich sie habe. Gibt es etwa noch so einen? Noch einen …? Und es gibt einen Professor, und bald wird der Professor meinen Brief lesen, und dann wird er nie wieder über solche wie mich lachen.

    Der Professor und der kleine Scheißer.

    Der kleine Scheißer, der mir gerade eben das Leben gerettet hat.

    Aber das weiß ich in dem Moment noch nicht.

Und hier endet die Reise

    Der Gestaposchaffner kommt zurück. Jetzt zusammen mit einem Zollbeamten. Bestimmt hat der Gestaposchaffner ihm den Tipp gegeben. Außerdem stellt er sich neben den Polizisten, als würde er die Situation genießen.

    »Darf ich mal Ihren Ausweis sehen?«, fragt der Zollbeamte.

    Ich hole meinen Pass raus. Als er sieht, dass wir dieselbe Nationalität haben, geht der Schaffner enttäuscht weiter. Der Polizist sieht in den Pass und fragt, ohne mich dabei anzusehen:

    »Haben Sie etwas zu verzollen?«

    »Verzollen?«

    »Haben Sie etwas, das sie zeigen sollten und wovon Sie meinen, Sie sollten es verzollen?«

    »Nein …«

    Der Zollbeamte sieht auf meine Ledertasche, die Kleider und Schuhe und meine Haare. Er gibt mir den Pass, schüttelt den Kopf und geht weiter zum nächsten Wagen. Ich bin immer noch fröhlich, vielleicht glücklich, vielleicht lächele ich, vielleicht explodiere ich gerade vor Hoffnung. Und bei all dem wird mir plötzlich wieder übel, Oslo kommt immer näher. Ich muss aufs Klo. Es geht glatter als erwartet. Das muss die Fröhlichkeit sein, die das Ziehen im Bauch knockout geschlagen hat, die Worte des Professors im Studio, was der Junge geredet hat, meine eigenen Gedanken – verdammt noch mal, ich bin nicht allein . Dieser Gedanke ergreift von meinem Körper Besitz, macht ihn leichter und gesünder und weicher. Es juckt immer noch extrem stark unter dem Nabel und in den Haaren und unter den Armen und in der Nase, aber ich könnte nicht sagen, dass es mich genauso sehr stören würde wie noch vor einer Stunde. Das Gehirn ist einigermaßen wach und überdreht, so dass ich alles erst mal runterdimmen muss, klarer sehen, sauberer denken. Vielleicht bin ich in eine Art Glücksrausch verfallen, der nur in einer gediegenen Magenverstimmung enden kann. Ich habe Angst, dass ich in einem Ritual steckenbleiben könnte, jetzt, bald, jederzeit, und nie wieder loskomme, niemals die Chance bekomme, den Professor kennenzulernen, in einem Ritual feststecke und verrotte und es niemals schaffe, mir Hilfe zu besorgen. Die Panik ergreift den Körper und tritt die Fröhlichkeit raus. Ich ziehe das Toilettenfenster herunter, öffne den Mund, befülle den Körper mit frischer Luft. Dann hole ich den Umschlag mit Tabletten und Geld aus der Ledertasche. Ich kann kaum den Unterschied zwischen den Odinbonbons und Papas Medizin erkennen, alle sind sie rund und weiß und verschwommen. Ich lasse den Wasserhahn laufen und breche eine Vierteltablette ab, aber ich habe keine Ahnung, um welche Pillen es sich handelt, die von Papa oder die von Odin. Ich lege das Stück auf den

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