Herrchenjahre
einen Moment warten, wo sie sich wieder beruhigt und mich ansieht. Dann aber! Gerät aus der Tasche und auf der Stelle ein kräftiges, dreifach donnerndes Knick Knack!
Ich beginne, mich mit diesem Gedanken anzufreunden. Wenn ich unsere Gassikarriere objektiv betrachte, muss ich zugeben, ein bisschen Ruhe täte uns beiden gut. Luna verliert beim Anblick von Artgenossen allzu leicht die Contenance. Daran bin ich schuld, weil immer das andere Ende der Leine schuld ist, ich weiß nur noch nicht genau, warum.
Erklärungsversuche der hilfloseren Art gibt es viele, die bringen mich aber nicht weiter. Bis auf Strom-, Sprüh- und Stachelhalsbänder habe ich so gut wie alles ausprobiert, um das Vieh ruhigzukriegen. Erreicht habe ich wenig. Wenn der Krawallmaus ein anderer Hund zu nahe kommt, ist im Wald Bambule. Das ist einerseits sehr schön, weil es das Leben abwechslungsreich gestaltet und den Kreislauf auf Touren hält, andererseits macht es mich wahnsinnig.
Erschwerend kommt hinzu, dass die direkte, energische Einflussnahme im Krawallmoment Luna noch mehr reizt. Ein scharfes Abbruchkommando oder das Hinterherpfeffern eines Schlüsselbundes wirken kontraproduktiv. Es ist, als zündete ich die Lunte an. Insofern kommt mir Klicker-Krauses Aufruf zur Besonnenheit gerade recht.
Warum nicht mal allein durch positive Bestärkung aus einer erzieherischen Schieflage kommen? Es geschehen doch auch andernorts Zeichen und Wunder.
Gesagt, getan. Mistbienenkorrektur mit Klicker. Ich belohne die guten Hundebegegnungen und ignoriere die schlechten. Anständiges Verhalten wird bestärkt. Knick Knack Wurst! Rumprollen, Anpöbeln und Aus-der-Haut-Fahren wird nicht kommentiert. Das halte ich konsequent durch, nur um festzustellen, dass es anderswo vielleicht Wunder geben mag, aber da, wo ich bin, definitiv nicht.
Die guten Hundebegegnungen werden von Tag zu Tag weniger.
Acht Wochen später habe ich keine einzige friedlich verlaufende Hundebegegnung mehr.
Null, zero, nada.
Das nenne ich mal ein glasklares Resultat.
An der Wurst kann es nicht liegen. Die ist vom Spitzenmetzger aus Gruiten und hat Suchtpotenzial. In entspannteren
Situationen reißt Luna mir beim Füttern schier die Finger ab.
Der Reiz des Ausrastens ist einfach größer als die Lust auf Wurst. Schlimmer noch, das Biest interpretiert mein Ignorieren und Schweigen als Zustimmung: »Wie jetzt? Ich fixiere den anderen und der Alte sagt nix? Prima, dann hol ich jetzt mal richtig die Keule raus!«
Entnervt breche ich das Experiment ab und begrabe meinen Klicker an der Biegung des Flusses. Ab sofort gebe ich der Krawallmaus wieder deutlich zu verstehen, was unerwünschtes Verhalten ist und was nicht. Zur Not stauche ich sie zusammen. Daraufhin nehmen die friedfertigen Begegnungen, wo sie die Schnauze hält, wieder merklich zu.
Klicker-Krause kräht empört: »Erziehung durch Meideverhalten, pff!«
Er schiebt alles auf mein Unvermögen, im richtigen Moment präzise zu klickern.
»Bestimmt hast du geklickert, während Luna den anderen schon fixiert hat. Kein Wunder. Dann bestärkst du sie für unerwünschtes Verhalten. Selber schuld.«
Habe ich natürlich nicht. Ich habe doch meinen Papst gelesen und immer wie der Teufel aufgepasst, dass genau das nicht passiert.
Dennoch schickt mich Klicker-Krause weg.
Ich bin ein Totalversager, reif für die Selbsthilfegruppe.
Ich werde googeln, ob es Anonyme Klickerer im Netz gibt.
»Hallo, ich bin der Michael und ich habe geklickert.«
Freundlicher Applaus, anerkennendes Nicken.
Fett, Flecken und andere Fiaskos
»Du siehst aus wie Jeremy Irons«, sagt meine Frau eines Abends.
Das verheißt nichts Gutes. Jeremy Irons sieht von Film zu Film ausgemergelter aus und wird mittlerweile mit rekord-verdächtigen Augenringen ans Filmset geliefert. Wahrscheinlich sind die in der Gage inbegriffen.
»Ich meine, muss man dunkle Ringe unter den Augen haben und Selbstgespräche führen, wenn man klickert?«, fährt sie fort.
»Ich führe keine Selbstgespräche. Das ist ein Mantra. Das Credo aller Krawallmausbesitzer. Ich murmele das, um mich zu beruhigen. Ich habe ja keine einzige vernünftige Hundebegegnung mehr.«
»Aha. Selbsttherapie bei Klickerverwirrung. Murmele mal.«
Ich murmele: »Du wirst viel arbeiten müssen und immer wieder vor neuen Herausforderungen stehen. Du wirst vier Trainer befragen und acht Meinungen hören. Du wirst in jedem Buch etwas anderes lesen. Du wirst Blutwurst in der Tasche haben und rohe Hühnerherzen. Du
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