Herrchenjahre
willst. Leinenaggression null. Kannst du vergessen. Ist quasi gegessen, das Thema.«
Ein neuer Lichtblick am Erziehungshorizont!
Das Wörtchen überreaktiv ist mir zwar unbekannt. Aber egal. Zuversichtlich lege ich den Klicker beiseite und beschließe, konzentriert an der Bindungsvertiefung durch Handfütterung zu arbeiten. Zugegeben, es kostet einige Überwindung, sich jeden Tag aufs Neue übelriechend organisch zu bewaffnen. Blutige Hühnerherzen, rohe Leber und grüner Pansen in der Hosentasche sind nicht jedermanns
Sache, ebenso wenig wie Fünfhundert-Gramm-Tagesrationen Trockenfutterpellets, die eine teure Fleecejacke ausbeulen und ausleiern.
Es gibt Hundeerziehungsmethoden, die sind ein klarer Fall für die Behörden und den internationalen Tierschutz. Bindungsvertiefung durch Handfütterung gehört mit Sicherheit dazu. Was ist meine Luna bloß für eine arme Sau! Mein Gott, ich weiß genau, wie dreckig es ihr geht. Für perfekt ausgebildete Schnuffelnasen ist die Methode ein Martyrium allererster Güte. Ich kenne das vom Fasten. Wenn ich zehn Tage lang nichts zu mir nehme außer Kartoffel- und Brennesselsäfte, die schmecken wie Bahndamm Südseite, schärfen sich alle meine Sinne, vor allem aber die Nase.
Einmal geriet ich ausgehungert und hohlwangig in ein Arbeitsfrühstück. Einer der Teilnehmer öffnete knackend ein Leberwurstglas. Mit einem Schlag war die Luft erfüllt von herrlichem Leberwurstduft, der sich bis in die letzte Ecken des Konferenzraumes verbreitete. Mir schossen die Tränen in die Augen, das Wasser lief mir im Mund zusammen. Ich krallte mich am Stuhl fest, um nicht mit einem Satz über den Tisch zu hechten, meine Zähne in das Wurstglas zu schlagen und mit einem einzigen Biss eine langjährig gepflegte, gute Kundenbeziehung zunichtezumachen.
So fühlt sich ein Hund, wenn er es mit einem bindungsvertiefenden, handfütternden Herrchen zu tun hat.
Ich trotte vor Luna her, die Taschen prallvoll mit einer Tagesration Trockenfutter sowie mehreren unaussprechlich riechenden, blutigen Fleischbrocken für besondere erzieherische Herausforderungen. So gut wie jede Hosen- und Jackentasche
meiner Garderobe weist am unteren Rand breite fettige Flecken auf, die nicht mehr auszuwaschen sind. Hinter mir eine Duftfahne, die von Düsseldorf bis Wuppertal reicht. Genauso gut könnte ich ein mit Mettwurst bestrichenes Ganzkörperkondom anlegen.
Die Hundewiese am Jaberg betrete ich in diesem olfaktorischen Ausnahmezustand nur einmal und nie wieder. Alles, was Beine hat, galoppiert auf mich zu und baut sich erwartungsvoll vor mir auf. Labradore, die verfressenste Rasse unter der Sonne, fallen mir um den Hals. Desgleichen alle Labradormixe, selbst wenn sie nur noch ein Hundertstel des Labbi-Gens in sich tragen und aussehen wie Pekinesen.
Ich scheuche alle weg und führe konsequent Erziehungsübungen durch. Für jedes gute Gelingen gibt es einen Fleischbrocken. Zwischendurch schaufle ich Luna eine Handvoll Pellets in die Schnauze.
Es ist ein schönes Gefühl, wenn man mit seinen Händen einen Napf bildet, Futter hineinpackt und die feuchte Hundenase anlockt. Die kommt prompt angeschossen, stupst ungeduldig in den Futterhaufen und malmt alles in sich hinein. Zum Schluss wird die rosa Zunge ausgefahren und der Handnapf saubergeschleckt.
Unschön aber ist, wenn man begreift, dass diese Methode kontraproduktiv ist, weil man die Bindung zu seinem Hund mehr verstärkt als beiden gut tut.
Immerhin versuche ich ja, eine allzu leicht austickende Hündin so zu erziehen, dass sie ruhig bleibt, wenn es kritisch wird. Wie soll das bitteschön funktionieren, wenn ich mich als lebende Metzgereiauslage verkleide, die von meiner Hündin eifersüchtig bewacht werden muss, weil der winzige Hauch von Wolf, den sie noch in sich trägt, sie zu genau diesem Verhalten zwingt?
Luna folgt mir auf Schritt und Tritt. Wer sich nähert, kann sich schon mal gehackt legen. Energische Ressourcenverteidigung selbst ihren allerbesten Freunden gegenüber wird zu ihrem täglichen Brot.
Zu den Ressourcen zähle anfangs nur ich, ihr allerliebster McPansen-Drive-in, später dann auch alles, was unterwegs an Essbarem so rumliegt.
Das ist eine Menge!
Mein Stock. Mein Grashalm. Meine tote Maus.
Meine Fuchskacke. Mein Pferdeapfel!!!
Luna ist mit ihrem Kumpel Gobi unterwegs, einem hartgesottenen Hovawart. Die Hunde balgen, die Erde bebt, die beiden sind ein Herz und eine Seele – bis plötzlich ein einsamer Pferdeapfel ihren Weg kreuzt.
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