Herrchenjahre
Niederlage. Alles, was sich nicht fangen lässt, schadet dem Kammerjäger-Renommee.
Marder gehören dazu. Immerhin empfiehlt er, alle Ein-und Ausgänge ausfindig zu machen und ordentlich zu verrammeln, sobald der Marder draußen ist.
Ausfindig machen sei im Übrigen ganz simpel. Man kaufe die billigen Eier vom Supermarkt, die seien besonders beliebt, weil sie etwas nach Fisch riechen, und verteile sie rund ums Haus. Man müsse wissen, dass Marder keine Kinderstube haben und wie die Schweine fressen. Angeblich schlagen, ja dreschen sie regelrecht mit der Pfote auf das Ei, tunken die Schnauze hinein, schlürfen, bekleckern sich rundherum das Wams und gehen in diesem versifften Zustand schließlich zu Bett. Und schon finden sich am gesamten Haus verräterische Eiweiß- und Dotterspuren, und die Schlupflöcher sind identifiziert.
Der Mann ist ein Idiot. Wir sind auch Idioten. Deshalb hören wir auf ihn. Eines Abends um Weihnachten 2001 platzieren wir sechzig rohe Eier in unseren Rabatten. Merke: Wer an Weihnachten rund ums Haus sechzig rohe Hühnereier in den Beeten versteckt, der hat entweder einen an der Waffel oder einen Steinmarder im Haus. Die Nachbarn denken, wir kommen mit den katholischen Feiertagen nicht zurecht und grüßen seltsam.
Am nächsten Tag sind von sechzig Eiern fünfundvierzig spurlos verschwunden.
Kein Glibber am Haus. Nirgends!
Drei Jahre später werde ich beim Kompostausheben zufällig auf ein Eierlager stoßen. Ein Marder frisst wie ein Schwein? Völliger Blödsinn! Alle Eier sind oben kreisrund aufgenagt und blitzsauber ausgesaugt.
Wir hätten sie bemalen und am Osterstrauß aufhängen können.
Gewöhnliche Marder kriechen in den Motorraum und zerstören Kabel. Unsere nicht. Die bringen Kerzenstummel, alte Brötchen und eine tote Ratte mit und feiern eine Orgie. Das alles finden wir im Bulli, hinten links neben dem Fünfzylinder, in einem romantischen Nest aus dem Material der ehemaligen Dämmmatte.
Die Niederlage mit den Rabatteneiern sowie ein fruchtloser Versuch, Golden-Retriever-Haare in einschlägig bekannte Ritzen am Haus und im Auto zu stopfen, werfen uns um ein volles Jahr zurück. Die Tüte voller ausgekämmter Hundehaare stammt von einer benachbarten Familie. In diesem Zusammenhang begegnet uns zum ersten Mal die »Hund vertreibt Marder«-Theorie.
Vielleicht wäre Terrierpelz besser gewesen. Retriever jedenfalls bringt nichts. Im Frühjahr 2002 haben wir wieder hüpfenden Nachwuchs im Dachfirst.
Ein spontaner Anruf bei der Unteren Landschaftsbehörde lässt hoffen. Am Telefon Herr Löcker, die personifizierte Kompetenz, wahrscheinlich selber jahrelang Marder gewesen. Er empfiehlt uns, einen Hund anzuschaffen. Vorher aber seien alle Mardereingänge zu suchen, nein, nicht mit Ei, und zu verschließen, bis auf einen. Den dürfe man erst dicht machen, wenn alle raus seien. Man müsse mit dieser Aktion allerdings warten, bis die Jungen groß seien, um Mitte Mai herum, vorher dürfe man die Alten nicht verjagen, sonst gehe der Nachwuchs ein. Das sei wenig empfehlenswert. Ein totes Mardernest im Dach miefe extrem.
Mief. Auch so ein Wort. Das etymologische Wörterbuch des Deutschen behauptet, es stamme aus Berlin und sei eine jüngere Lautvariante des Begriffs Muff aus dem siebzehnten Jahrhundert. Ich hingegen bin sicher, Mief wurde auf dem
Land erfunden und ist ein Akronym für alles, was vier Beine hat und stinkt: M arder, I ltis, E ichhorn, F uchs.
Also warten wir und warten und warten und schlafen derweil noch ein bisschen schlechter und warten und warten und dann, eines Nachts, stelle ich fest: Hurra, die Kleinen kommen zum Spielen raus! Sie quietschen in den Bäumen. Das sieht so niedlich aus, dass wir sie am liebsten behalten möchten. Wir aber bleiben hart.
Bereits am nächsten Morgen stehe ich auf der schwankenden Aluminiumleiter und vernagle alle Ritzen, die groß genug für Marderschädel sind.
Acht Ein- und Ausstiege finde ich insgesamt. Unter anderem mitten auf dem Dach einen Entlüftungsziegel, bei dem die Herrschaften das Kunststoffgitter weggebissen haben. Den Entlüftungsziegel lasse ich als einzigen Ausgang offen, stopfe aber einen mit Pro Natur Marder Stop getränkten Lappen hinein.
Die letzte Nacht mit unseren Mardern ist die lauteste. Wir hören, wie die Brut nacheinander alle Ausstiege abklappert und verschlossen vorfindet. Schließlich entdeckt die Mama den offenen Ziegel, reißt mit dem Maul den fiesen Anti-Marder-Lappen heraus, den ich anderntags in der
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