Herrchenjahre
Dachrinne finde, und hilft ihren Kleinen in die Freiheit.
Am nächsten Morgen tausche ich den Ziegel aus.
Damit ist auch das letzte Loch zu.
Sommer 2002. Es ist geschafft! Die Marder sind, wie wir Waidmänner zu sagen pflegen, erfolgreich vergrämt.
Frühling 2003. In den Zwischendecken verstirbt wieder die ein oder andere betagte Maus und riecht streng. Das ist
nicht schön. Zu Zeiten des Steinmarders gab es das nie. Er hat sein Revier immer nagerfrei gehalten.
Frühling 2004. Wir haben einen Iltis im Dach. Im rororo Tierlexikon steht: Der erfahrene Landmann heißt den Iltis willkommen. Wo ein Iltis sei, gebe es keine Ratten.
Das ist kein Wunder. Den Gestank hält keine Sau aus.
Herbst 2004. Ich beginne mich nach unserem Steinmarder zu sehnen. Die Zeit verklärt alle Katastrophen, in Erinnerung bleiben nur die schönen Momente. Drei Jahre haben wir in Eintracht und Frieden unter einem Dach gelebt, seufze ich. Er hat unsere Autos nicht zerstört, nur gelegentlich ein faules Ei im Kleinwagen platziert und im Bulli sein Orgienzubehör vergessen. Gut, einmal hat er mich am Kreuz Duisburg-Kaiserberg mit angefressenen Wasserschläuchen lahmgelegt. Dafür konnte er aber nichts, weil ein Gegner in sein Motorrevier eingedrungen war und ihm nichts anderes übrigblieb als deutlich zu markieren; dabei geht schon mal was zu Bruch.
Frühling 2005. Alles ist gut. Luna ist bei uns, und die Marder sind zurück.
Schönen Gruß an die Untere Landschaftsbehörde: Ein Hund schreckt Marder nicht ab, versetzt sie nicht in Panik, lässt sie nicht Reißaus nehmen, nicht vor Entsetzen erstarren, nicht auf der Stelle tot umfallen. Im Gegenteil. Die beiden Parteien kommen bestens miteinander aus.
Der alte Bulli wird durch einen neuen ersetzt, der bereits kurz darauf in die Werkstatt muss, wo für fünfhundertvierundzwanzig Euro ein angefressener Turboschlauch ausgetauscht wird. Ab und an liegt eine angekaute Ratte neben dem Fahrradschüppchen. Wer braucht schon einen Motorraum zum Feiern. Zweiräder tun’s auch.
Und wieder toben die Marder ruhestörend durchs Dach.
Und wieder kriegen wir vor lauter Mardersex kein Auge zu.
Und wieder entlassen wir jährlich ein Nest mit krakeelendem Nachwuchs in die Freiheit.
Der Unterschied zu früher ist nur: Jetzt bellt noch ein Hund dazu.
Schleppleine betreten verboten
Ich behaupte ja, Luna ist ohne Jagdtrieb zur Welt gekommen. Nur die Umstände haben sie zum Jagdjunkie gemacht. Dazu hat unser Haus beigetragen, die Lage am Ortsrand mit praktischer Karnickelfeldanbindung und natürlich Screamy.
Screamy ist überhaupt an allem schuld.
Sreamy hat Luna angesteckt.
Screamy ist ein klapperdürres, zwanzig Zentimeter hohes Jagdterriergemisch und gehört dem Schleppleinen-Krause, den wir in unserer allerhöchsten Not konsultieren. Sie sieht aus wie Barbossas Äffchen aus Fluch der Karibik , wenn ihm der Mondschein aufs Gesicht fällt. Screamy trabt grundsätzlich an der Leine, bibbert missmutig vor sich hin und trägt ein lächerliches Mäntelchen. Wir nehmen Screamy nicht ernst.
Das ändert sich umgehend, als ausnahmslos jeder der Kurshunde von Screamy eine Abreibung kassiert. Wer Screamy zu nahe kommt, wird zuerst angefaucht und dann blitzschnell in die Seite gehackt. Dieses kleine Mistvieh weiß genau, dass es in einer körperlichen Auseinandersetzung unterlegen wäre. Deshalb sorgt es zum frühestmöglichen Zeitpunkt für angemessenen Respekt. Wer ihm einmal vor die Pumpe läuft, weiß Bescheid. Das funktioniert sogar bei meiner Achtzig-Pfund-Krawallmaus. Screamy ist unangefochten der Boss.
»Warum ist Screamy immer angeleint?«, frage ich arglos.
»Weil sie schon drei Hasen gefangen hat«, sagt Krause.
»Die sind doch größer als sie?«
»Das ist Screamy wurscht.«
»Hast du nicht aufgepasst?«
»Von wegen. Die war jedes Mal an der Flexileine.«
»An der Flexi?«
»Jepp.«
»Die fängt angeleint Hasen?«
Ich starre auf diesen kleinen, mageren, zitternden Hund, der ganz offensichtlich innerhalb einer Hundertstelsekunde in ein Gebüsch hineinexplodieren und ein Karnickel herausziehen kann, ohne dass sein Chef auch nur den Hauch einer Chance hat, den Stoppknopf der surrenden Flexileine zu drücken.
Mein Gott!
Ein Schleppleinen-Krause, der mit uns Antijagdtraining macht und selber einen Hund hat, den er nicht ableinen kann, ist mir ungeheuer sympathisch. Der kennt seine Grenzen, beißt sich selber die Zähne aus und ist meilenweit entfernt von der in Krause-Kreisen so weit
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