Herrchenjahre
Minuten am Stück.
Dreißig Minuten???
Hardcore-Jogger lächeln milde. Für ehemalige Raucherlungen wie mich ist das ein Traumwert.
Vorsorglich habe ich die Joggingkolumnen auf Spiegel online gelesen. Die beiden – als solche offensichtlich unerkannt gebliebenen – Satiren Hooligans auf vier Beinen und Die Hundehalter beißen zurück generieren aus dem Stand zweihundertsiebzig engstirnige Kommentare. Hundehalter, Jogger und andere Kleingeister hacken im Forum aufeinander ein wie die Krähen.
Dabei hat der joggende, leicht angesäuerte Autor Recht. Der Aufruf, Hunde gratis nach Sakon Nakhon auszufliegen, weil dort das beste Hundegulasch Thailands zubereitet wird, geht völlig in Ordnung. Gut gelungen auch der Ansatz, vierbeinigen Herausforderungen grundsätzlich mit asiatischer Kampfkunst oder Hieb- und Stichwaffen zu begegnen. Das
ist vorbildlich. Da wird nicht gejammert, nicht verbissen argumentiert. Er sieht es sportlich: Wer erwischt wird, hat Pech gehabt.
Meine Hündin und ich finden sowieso, dass fünfundachtzig Prozent aller Jogger unter ihren Möglichkeiten laufen. Bis vor kurzem lag Luna immer im Platz , wenn Jogger in Sicht kamen. Das trug lehrbuchgemäß zur Entspannung bei, wurde auf Dauer aber von allen Beteiligten als unbefriedigend empfunden. Um der aufkommenden Langeweile entgegenzuwirken, haben wir das Kommando Jogi einstudiert. Es wird im Flüsterton gegeben.
Mittlerweile danken uns nicht wenige Laufsportler auf Knien, weil sie den Glauben an sich selbst wiedergefunden haben. Die hätten nie gedacht, dass sie hundert Meter unter zwölf Sekunden schaffen.
Von solchen Traumwerten bin ich natürlich noch meilenweit entfernt.
Neun-mal-zwei-Minuten-Woche, erster Tag, erste Einheit.
Bereits nach fünfhundert Metern Laufen und Schnaufen kommt uns ein Jogger mit einem Spaniel entgegen. Ich lege Luna ab und trete sicherheitshalber – welcher Teufel reitet mich da? – mit dem linken Fuß auf die Leine. Der Jogger trabt vorbei. Sein Spaniel nicht. Der geht erst in Grundstellung, dann auf uns los. Luna springt hoch und katapultiert meine fünfundneunzig Kilo in den nächsten Straßengraben, wo ich ächzend mit verdrehtem Knie ausrolle.
Die beiden Kontrahenten ziehen unbeeindruckt weiter. Ich schleppe mich zur nächsten Apotheke: Kniebandage mit Klettverschluss und Patella-Aussparung für fünfundsechzig Euro.
»Ich bin doch nicht bescheuert und jogge nochmal«, schimpfe ich mit vollem Mund und gestikuliere mit der Gabel. »So ein ungesunder Sport. Außerdem ist das da kein Ziegenkäse im Speck. Das ist Schaf.«
»Du hättest nicht auf die Leine treten dürfen«, sagt Peter.
»Du hättest gar nicht erst vor die Tür treten dürfen«, sagt Walter.
»Die Köchin ist in Kur«, sagt Ralf.
»Man schmeckt’s«, sagt Juppi.
Die mitfühlende Toskana-Fraktion tagt ein letztes Mal, bevor es auf große Fahrt geht. Wir wollen im Vorfeld noch diverse Kleinigkeiten klären, werden aber von der Tatsache ausgebremst, dass die Köchin offensichtlich in die Reha gefahren ist, ohne ihre Vertretung in die Kunst der Tapas-Herstellung einzuweisen.
»Ich wollte sowieso nie laufen«, sage ich.
»Wieso hast du dann überhaupt angefangen?«, fragt Peter.
»Weil mir irgend ein dämlicher Krause im Wald einen vom Pferd erzählt hat«, sage ich. »Und ich hab’s mal wieder geglaubt. Ich müsse meinen Hund nur körperlich auslasten, hat er erklärt, dann wäre schnell Schluss mit Jagdausflügen und Leinenaggressivität.«
»Das klingt doch vernünftig«, sagt Ralf.
»Ja«, sage ich. »Ein müder Hund baut keinen Mist, hat er gesagt. Ein paar Joggingrunden seien in der Hinsicht ideal, oder halt am Fahrrad mitlaufen lassen. Dabei hätte mir nach der Aktion gestern klar sein müssen, dass Joggen und Hund überhaupt nicht zusammenpassen«, sage ich.
»Wieso? Was war da?«, fragt Ralf.
»Da war das Ratpack mal wieder unterwegs.«
»Gab es Verletzte?«, will Peter wissen.
»Nicht direkt«, sage ich.
»Mit dem maurischen Fleischspießchen ist auch was nicht in Ordnung«, murmelt Juppi.
Verletzungen gibt es nicht, aber Schwindel. Als Luna, Gobi und Haron ausgelassen den Waldweg entlangtoben, biegt plötzlich ein riesiger Schäferhund um die Ecke. Das Ratpack sagt sich: Nix wie hin, vielleicht kann man mit dem ja was machen. Spielen, ärgern, balgen, was sich halt so ergibt.
Es ergibt sich enorm viel.
Leider bemerke ich zu spät, dass an dem Schäferhund ein Jogger hängt. Der hat sich, damit er die Hände zum
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