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Herren des Wetens

Herren des Wetens

Titel: Herren des Wetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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einem rostigen Schlüssel geöffnet, und ein kleines Tischchen sowie ein Stuhl wurden in den Lichtkreis der Kerzen gerückt, damit Garion die Schrift studieren könne.
    »Ich komme nun allein zurecht, hochwürdige Herren«, sagte er betont. Er mochte es nicht, wenn andere ihm beim Lesen über die Schultern schauten, und er legte auch keinen Wert auf Gesellschaft.
    Er setzte sich an das Tischchen, legte die Hand auf die Schriftrolle und blickte die Schar Priester fest an. »Ich rufe Euch, wenn ich etwas brauche«, fügte er hinzu.
    Ihre Miene war sichtlich mißbilligend, doch sie wagten nicht, sich dem Rivanischen König zu widersetzen. Wortlos ließen sie ihn mit dem Kodex allein.
    Aufregung erfüllte Garion. Endlich lag die Lösung des Problems, das ihn all die Monate gequält hatte, vor ihm. Mit fast zitternden Fingern öffnete er das Seidenband und rollte das knisternde Pergament auf. Die Schrift war archaisch, aber bewundernswert. Die einzelnen Zeichen wirkten weniger wie geschrieben denn wie mit größ-
    ter Sorgfalt gemalt. Garion wurde sofort bewußt, daß ein ganzes Leben der Anfertigung dieses Schriftstücks gewidmet worden war.
    Sein Blick wanderte über die ihm bereits vertrauten Wörter und Sät-ze, und er suchte nach der einen Zeile, die das Geheimnis ein für allemal lüften würde.
    Da war sie! Ungläubig starrte Garion darauf. Das durfte nicht wahr sein! Auch hier befand sich ein Klecks, genau wie auf den Abschriften! Vor Enttäuschung hätte er am liebsten gebrüllt.
    Verzweifelt las er die rätselhafte Zeile noch einmal: Und das Kind des Lichtes wird dem Kind der Finsternis begegnen und es besiegen, und die Finsternis wird fliehen. Doch habt acht, der Stein, der im Mittelpunkt des Lichtes liegt, wird… Und da war dieser verfluchte Klecks.
    Etwas Seltsames tat sich, während er es aufs neue las. Eine eigenartige Gleichgültigkeit bemächtigte sich seiner. Weshalb regte er sich eines einzelnen unleserlichen Wortes wegen so auf? Welchen Unterschied konnte es schon machen? Er erhob sich fast, mit der Absicht, die Schrift in ihren Kasten zu legen und diesen übelriechenden Ort zu verlassen, um nach Hause zurückzukehren. Plötzlich hielt er inne. Er entsann sich der zahllosen Stunden, die er über diesen Klecks gegrübelt hatte. Es konnte sicher nicht schaden, wenn er die Zeile noch einmal las. Immerhin war er von sehr weit her gekommen.
    Wieder fing er von vorne an, aber sein Widerwille wurde so stark, daß er es kaum ertrug. Warum vergeudete er seine Zeit mit diesem Unsinn? Er hatte den weiten Weg gemacht, um seine Augen über diesem modrigen Stück Geschwafel eines Wahnsinnigen zu überanstrengen – über dieser stinkigen, halbverrotteten, schlecht gegerbten Schafhaut! Ekelerfüllt schob er den Mrin-Kodex von sich. Das Ganze war reine Idiotie! Der Stuhl knirschte über den Boden, als er sich aufrichtete und Eisenfausts mächtiges Schwert zwischen den Schulterblättern zurechtrückte. Sein Schiff lag noch am baufälligen Pier.
    Bei Einbruch der Nacht konnte er bereits den halben Weg bis Kotu zurückgelegt haben, und noch in dieser Woche wäre er zurück in Riva. Dann würde er die Bibliothek für immer verschließen und sich seinen Geschäften zuwenden. Ein König hatte schließlich keine Zeit für diese müßigen Grübeleien, die nur Übelkeit erregten. Entschlossen drehte er der Schrift den Rücken zu und wollte zur Tür gehen.
    Doch kaum hatte er den Blick von der Schrift abgewandt, blieb er verwundert stehen. Was tat er? Das Rätsel war immer noch da, und er hatte nichts getan, es zu lösen. Er mußte ihm auf den Grund gehen! Doch kaum drehte er sich um und blickte aufs neue auf die Schrift, befiel ihn wieder dieser schier unerträgliche Ekel davor. So stark war dieses Gefühl, daß er fast in Ohnmacht fiel. Sobald er sich noch einmal drehte, verschwand dieser Abscheu. Es war etwas an dem Schriftstück, das ihn zu vertreiben suchte.
    Er stapfte hin und her und achtete darauf, nicht auf die Schrift zu blicken. Was hatte die trockene Stimme in seinem Kopf zu ihm gesagt? Darunter sind mehrere Worte. Wenn du es im richtigen Licht betrachtest, müßtest du imstande sein, sie zu sehen. Was war unter dem richtigen Licht zu verstehen? Die Kerzen im Gewölbe waren zweifellos nicht, was die Stimme gemeint hatte. Sonnenschein? Unwahrscheinlich. Poledra hatte gesagt, er müsse die verborgenen Worte lesen, aber wie konnte er das, wenn ihn die Schrift im wahrsten Sinne des Wortes davontrieb, sobald er sie

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