Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
seinen kahlen Schädel Blasen hochzusteigen wie aus einem defekten Fußball.
»Aber er hat dir … Ihnen doch gar nichts getan!«, jammerte das Mädchen, zunehmend beunruhigt.
»Nötigung gemäß Paragraf 240 Strafgesetzbuch in Tateinheit mit sexueller Nötigung gemäß Paragraf 177 S t GB «, presste die Oberstaatsanwältin angestrengt heraus.
Langsam wurde der Frau angst und bange.
»Sexuell? Aber das war doch nur Spaß!«, lamentierte sie. Dann rief sie panisch: »Hilfe! Die Irre bringt ihn um!«
Die Oberstaatsanwältin fühlte, wie dem Mann unter der Wasseroberfläche langsam die Luft knapp wurde. Sie drückte ihn mit einem kräftigen Stoß in die Tiefe und zog sich zugleich am Beckenrand aus dem Wasser. Während sie hinter sich das prustende, zornige Gebrüll des alten Lüstlings hörte, schritt sie stolzen Schrittes in ihrem Badeanzug von dannen. Plötzlich stand sie dem Landrat gegenüber, dessen Gesicht so weiß war wie sein Bademantel.
»Tolle Partygäste haben Sie hier!«, schnaubte ihn die Oberstaatsanwältin an.
»Ich glaube, Sie haben sich gerade keinen Gefallen getan«, sagte er.
»Ach ja?«
»Wissen Sie, wen Sie da beinahe ertränkt hätten? Doktor Ullrich Veith.«
Die Oberstaatsanwältin war einen Moment lang konsterniert. »Den Justizstaatssekretär?«, fragte sie überflüssigerweise.
Der Landrat nickte. Dann eilte er ans Becken und half dem Glatzkopf aus dem Wasser. Die Gundelwein wartete einen Augenblick lang unschlüssig, was sie tun sollte. Aber eine Entschuldigung hätte sie sowieso nicht über die Lippen gebracht, also konnte sie auch gehen. Nach diesem frustrierenden Erlebnis setzte sich die Oberstaatsanwältin wieder angezogen in die hoteleigene Jazzbar und bestellte sich einen Drink: Martini extra dry, und dann gleich noch einen. Diese Machos würden sie noch kennenlernen!
Während die Oberstaatsanwältin sich die Kante gab und ihren geplatzten Karriereträumen nachhing, kühlte der Fickel seine wunde Stirn mit Kompressen und vertrieb sich die Zeit damit, systematisch die Minibar leer zu trinken, sogar die Softdrinks. Währenddessen sah er sich ein paar alte Folgen Matlock an, die im Spätprogramm liefen. Dabei fragte er sich, was der Kollege im weißen Anzug wohl getan hätte, wenn er in seiner Lage gewesen wäre. »Aha, Sie haben also eine tolerante Ehe geführt? So, so …« Und dann ein skeptisches Gesicht aufsetzen, damit der Kerl spürt, dass mit uns nicht gut Kirschen essen ist. Der Fickel sah sich im Gerichtssaal stehen. »Hohes Gericht, sehr geehrte Geschworene …«
Ach herrje, in deutschen Gerichten gibt es ja überhaupt keine Geschworenen – wirklich zu schade! Der Fantasie-Fickel ließ sich aber nicht aus dem Konzept bringen. »Dieser Mann, den alle für einen ehrbaren Politiker halten, hat seine eigene Frau kaltblütig ermordet, um seine Triebe hemmungslos ausleben zu können und in Seniorenhotels Orgien zu feiern!«
Das Lächeln des Landrats wirkte selbst im Traum herablassend. »Ach ja? Und warum habe ich mich nicht einfach scheiden lassen?«
Der Fickel starrte hilflos auf den Landrat, an dessen Stirn unverkennbar das Kainsmal haftete. Plötzlich stand die Oberstaatsanwältin neben dem Landrat und funkelte den Fickel hasserfüllt an. »Der Verteidiger verunglimpft den Zeugen! Ich fordere hundert Peitschenhiebe!« Und sie schritt sofort zur Exekution.
Ungefähr nach dem fünfundachtzigsten Hieb erwachte der Fickel endlich aus seinem Alptraum, weil es nebenan in der Johann-Wolfgang-Goethe-Suite, also keine dreißig Zentimeter von seinen Gehörgängen entfernt, plötzlich ziemlich laut wurde. Die Bässe hämmerten aus den Lautsprechern, dass die leeren Flaschen aus der Minibar klirrten. Zuerst dachte er, bei seinem Nachbarn würde ein Live-Konzert von den Randfichten stattfinden oder wenigstens von den Puhdys. Aber dann hörte er die Stimme von Helga Hahnemann [ 43 ], und da war er doch relativ sicher, dass es sich um eine Konserve handelte.
Selbstredend war er irgendwo auch ein bisschen neugierig, was da drüben beim Landrat vor sich ging. Mit der Klassiker-Methode – einfach Glas an die Wand halten und draufloslauschen – würde er bestenfalls einen Hörschaden davontragen. Also ging er auf den Balkon. Von hier aus konnte er immerhin die hell erleuchteten Fenster der Johann-Wolfgang-Goethe-Suite sehen, in der offensichtlich eine ausgelassene Party tobte. Zum Nachbarbalkon hinüber waren es von seinem Standpunkt aus nur anderthalb Meter, aber nach unten
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