Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Glück meldete das »Hightechhandy von vor acht Jahren« erst jetzt, dass der Speicher endgültig voll war, und beendete die Aufnahme. Die Bilanz des Ausflugs: dreizehn Minuten brisantes Material, leider ohne direkten Bezug zu seinem Fall. Der Fickel blickte ins Innere des Zimmers. Die Partygäste waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht darauf achteten, was auf dem Balkon geschah.
So konnte der Fickel in aller Seelenruhe seinen Tisch wieder über die Geländer legen und ungestört den Rückzug antreten. Als er bereits etwa in der Mitte zwischen Goethe und Luther angekommen war, blickte er zu seiner fast unbekleideten, auf der Sonnenliege ausgestreckten Exfrau zurück. Er hätte zu gern gewusst, was der Kminikowski mit »so was« gemeint hatte, aber objektiv betrachtet bestanden da nicht allzu viele Möglichkeiten.
Und da sieht man mal wieder, dass der Fickel für seinen Beruf im Grunde viel zu skrupulös ist. Denn obwohl er seiner Exfrau durchaus die Qualen aller zehn Höllenkreise – inklusive Vorhölle – an den Hals wünschte, brachte er es dennoch nicht übers Herz, sie ahnungslos schlafend den geilen Gelüsten dieses fetten kleinen Glatzkopfs zu überlassen. Und nur aus diesem einen Grund vollführte er auf dem Tisch eine waghalsige Wendung, die beinahe seine letzte geworden wäre, und kletterte zurück auf den Goethe-Balkon.
Das letzte Mal, dass der Fickel das Gewicht seiner Exfrau gestemmt hatte, war ausgerechnet in ihrer Hochzeitsnacht gewesen, als er sie über die Türschwelle tragen wollte. Allerdings hatte er sich bei der Größe seiner Braut alkoholbedingt etwas verrechnet und war mit ihrem Kopf am Türrahmen hängen geblieben, was erste gravierende Unstimmigkeiten nach sich gezogen hatte. Natürlich hatte er inzwischen längst verdrängt, wie schwer die Oberstaatsanwältin trotz ihrer schlanken Figur war, aber Muskeln haben eben ein größeres Gewicht. Da brauchte es schon sämtliche Bobanschieberkräfte, um damit fertigzuwerden!
Der Fickel hechelte bereits, als er die Gundelwein rücklings auf dem Tisch abgelegt hatte. Jetzt konnte er sie eigentlich einfach über die glatte Tischplatte schieben, aber dann knallte sie womöglich auf seinen Balkon. Einen Schädelbasisbruch wollte der Fickel dann doch nicht riskieren, daher blieb ihm wohl oder übel nichts anderes übrig, als – begleitet von einigen Schwindelanfällen – über seine Exfrau hinwegzukrabbeln wie ein überdimensionierter Käfer.
Glücklich angekommen auf seinem Balkon, zog er seine Exfrau an den Schultern zu sich rüber. Obwohl er langsam am Ende seiner Kräfte war, holte er auch noch den skandinavischen Designer-Schreibtisch ein und stellte ihn wieder auf seinen Platz. Die Oberstaatsanwältin bettete er einstweilen auf den Teppich und deckte sie mit einem Laken zu. Nicht aus Fürsorge, sondern um den trügerischen Reizen dieser Amazone nicht mehr ausgesetzt sein zu müssen. Dann musste er sich kurz hinlegen, um sich ganz kurz auszuruhen, nur ganz kurz …
VIII
Das Erste, was die Oberstaatsanwältin nach dem Aufwachen registrierte, waren ihre Kopfschmerzen; das Zweite, dass ihr Zimmer viel größer erschien als gestern – und schließlich: Sie lag auf dem Boden und hatte nichts als ihre Unterwäsche am Leib!
Sie spürte Panik in sich aufsteigen. Was war hier los? Sie erinnerte sich noch an die Jazzbar, an den Barkeeper, der sich nach dem neunten oder zehnten Drink geweigert hatte, ihr weiter auszuschenken. Siedend heiß fiel ihr ein, wie sie mit der Polizei gedroht und ihren Dienstausweis gezeigt hatte, nur um noch einen Martini zu bekommen. Und dann? Nebelhafte Erinnerungen, nicht direkt unangenehm. Eher so, als hätte sie sich gut amüsiert. Aber sie konnte beim besten Willen nicht mehr sagen, wie und unter welchen Umständen sie in dieses Zimmer gekommen war.
Was war das? Animalische Laute, ähnlich dem Brummen eines hungrigen Bärs – sie kamen eindeutig vom Bett. Die Gundelwein erhob sich und schlich auf Zehenspitzen in Richtung des Geräuschs. Das Brummen entpuppte sich bei näherem Hinhören als Schnarchen, und der Oberstaatsanwältin entfuhr ein spitzer Schrei, als sie den Verursacher dieser nur schwer mit der menschlichen Art in Verbindung zu bringenden Laute erkannte. Ihr erster Reflex war: aufwecken, zur Rede stellen, verhaften.
Noch rechtzeitig setzte der gegenteilige Impuls ein: Laken um die Brust wickeln, nach den Klamotten suchen und auf Zehenspitzen die Flucht ergreifen. Immer noch fehlte
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