Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
geklärt haben, lade ich Sie nach Erfurt ein. So eine talentierte Tänzerin wie Sie können wir im Ministerium gut gebrauchen.«
Die Oberstaatsanwältin stand hilflos da. Sie hatte keine Ahnung, wovon der Kerl gesprochen hatte. Die Männer umarmten sich wie echte Freunde, im Grunde Winnetou und Old Shatterhand. »Mach’s gut Peter!«
»Tschüss Uli! Gute Fahrt!«
Der Glatzkopf stieg in einen riesigen Audi und fuhr mit dröhnendem Motor davon.
»Was meint er mit ›talentierte Tänzerin‹?«, fragte die Gundelwein den Landrat. »Sie haben mir doch alles erzählt?!«
»Selbstverständlich!«, erklärte der Landrat fröhlich. »Machen Sie sich keine Sorgen. Uli ist ganz hin und weg von Ihnen!«
Der Fickel beobachtete aus der Deckung des Wäschewagens, wie sich die Oberstaatsanwältin und der Landrat etwas steif voneinander verabschiedeten. Wie ein verschworenes Team wirkten die beiden jetzt nicht direkt, aber zumindest wie zwei, die ein gemeinsames Geheimnis hüteten. Schließlich setzte sich die Oberstaatsanwältin in ihren kleinen roten Flitzer und brauste davon.
Der Landrat steckte dem Portier, der seinen Wagen vorgefahren hatte und devot den Schlag öffnete, noch ein großzügiges Trinkgeld zu, blickte sich kurz nach allen Seiten um, stieg ein und heizte mit quietschenden Reifen davon. Der Fickel zögerte natürlich keine Sekunde und hängte sich mit seinem Wartburg Tourist an seine Stoßstange.
Es war ein fast aussichtsloses Unterfangen, der rasenden Fahrt des Landrats zu folgen, so ein BMW ist eben noch mal was anderes als ein Jaguar. Als der Landrat auf die Autobahn auffuhr, wurde sein Wagen vor dem Fickel immer kleiner und kleiner, bis er nur noch als winziger Punkt zu erkennen war und schließlich ganz und gar aus Fickels Gesichtsfeld verschwand. Und das, obwohl auf der A71, der wahrscheinlich teuersten Straße Europas, eigentlich nur Tempo achtzig erlaubt sind. Da sieht man’s mal wieder: Unsere Herren Politiker – keine Achtung vor dem Gesetz!
Aber der Fickel erinnerte sich natürlich noch an das Versprechen, das er der Frau Schmidtkonz gestern gegeben hatte, und darum fuhr er zur großen Freude des nachfolgenden Verkehrs gleich an der nächsten Ausfahrt wieder ab und bog Minuten später auf das Gelände der Thüringer-Wald-Residenz ein. Eigentlich hatte er vorgehabt, seiner Vermieterin ihren E -Reader, den MP 3-Player und andere unentbehrliche Dinge ihres täglichen Lebens mitzubringen, doch das war natürlich in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen nicht möglich gewesen.
Aber die Frau Schmidtkonz interessierte sich heute überhaupt nicht weiter für ihre Unterhaltungselektronik, sondern eher für das kalte Rührei, das der Fickel vom Frühstücksbuffet aus dem Wellnesshotel mitgebracht hatte, denn das Essen in der Residenz, soviel ließ sich schon nach zwei eingenommenen Mahlzeiten sagen, wollte ihr partout nicht schmecken. Großküche blieb eben Großküche, und die Soljanka hatte früher im FDGB -Heim auch schon mal besser geschmeckt.
Zu ihrem Bedauern hatte die Frau Schmidtkonz nach einem Tag noch nicht viel über die Residenz herausgefunden, weder über den Verbleib von Heike Dietz noch hinsichtlich etwaiger Mauscheleien seitens der Heimleitung, von denen die Richterin Kminikowski womöglich kurz vor ihrem Tod Wind bekommen hatte. Immerhin besaß die Schmidtkonz inzwischen einen Katalog, in dem »Extraleistungen« angeboten wurden wie beispielsweise Yoga-, Qigong- oder auch Bridge-Kurse, die die Residenzbewohner stundenweise oder als Abo buchen konnten. Sexualbegleitung stand allerdings nicht zur Auswahl, und aus irgendeinem Grund fragte der Fickel diesbezüglich auch nicht nach.
Abgesehen von der durchwachsenen Ernährungssituation wurde die Frau Schmidtkonz furchtbar von Heimweh gequält und wollte wissen, welche Fortschritte der Fickel inzwischen hinsichtlich der Freilassung ihres Enkels gemacht hatte. Doch als der Fickel von seinen Anstrengungen berichtete und dass sich mittlerweile immer mehr Verdächtige herauskristallisierten, da schlief die Schmidtkonz tatsächlich mitten in seinem Bericht ein!
Da war der Fickel doch einigermaßen verwundert. Denn obwohl er sicher nicht der beste Erzähler der Welt ist, pflegen seine Zuhörer nicht gleich einzuschlafen; und normalerweise war die Frau Schmidtkonz stets hellwach, wenn es um das Wohl ihres Enkels ging. Deshalb schaute sich der Fickel die bunten Tabletten auf dem Nachttisch etwas genauer an. Und weil die zufällig Ähnlichkeit
Weitere Kostenlose Bücher