Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
machen, dass er nach den Anstrengungen des letzten Tages etwas länger in Morpheus’ Armen verweilte. Als er endlich erwachte, fiel ihm als Erstes auf, dass seine Ex verschwunden war, was ihn zunächst erleichterte, aber hinsichtlich einer unvermeidlichen späteren Begegnung einiges an Konfliktmaterial erwarten ließ. Aber der Fickel vertagte alle weiteren Probleme angesichts des sich anbahnenden Hungergefühls. Immerhin brauchte er sich, da sein Inkognito aufgeflogen war, nicht mehr großartig zu verstecken. Unrasiert, aber zumindest frisch geduscht, beeilte er sich, in den Frühstücksraum zu kommen, wo bereits ein dichtes Gedränge am Buffet herrschte: Best und Silver Ager im zähen Ringen um den Räucherlachs.
Da der Fickel nach dem gestrigen Abendessen cholesterinmäßig keinen Grund hatte, sich zurückzuhalten, ließ er sich am Buffet eine Riesenportion Rührei mit Speck und Tomaten auftun, denn die arme Küchenkraft wusste bei all den Gesundheitsaposteln gar nicht, wohin mit den ganzen Eiern. Und da dachte sich der Fickel, »ehe es umkommt«, und holte sich noch eine zweite Portion für später und wickelte sie einstweilen in eine Serviette ein.
Dann beglich er, herrlich nach Speck und Eiern duftend, in der Lobby seine Rechnung und beantwortete die Frage »Haben Sie noch etwas aus der Minibar verzehrt?« ohne zu erröten mit »Nein«, was man getrost als Notlüge bezeichnen kann. Natürlich wusste die Hotelfachangestellte hinter dem Tresen, dass der Fickel in dem Punkt nicht ganz aufrichtig war, schließlich ist der Reinigungsservice schon längst durch gewesen. Aber das gehört eben zum guten Ton in so einem Luxushotel, dass man einem Gast, der hundertachtzig Euro für eine Suite hinlegt, nicht mal dann widerspricht, wenn er einen offenkundig schamlos bescheißt.
Nur, als der Fickel dann wieder zehn Euro Trinkgeld gab, verstand die arme Frau die Welt nicht mehr: Einerseits geizig, dann wieder einen auf »dicke Hose« machen. Aber da kam schon der Landrat Kminikowski, getarnt mit Sonnenbrille und Baseballmütze, aus dem Fahrstuhl, sodass der Fickel gerade noch Zeit hatte, hinter einem Wäschewagen in Deckung zu gehen. Und jetzt hatte der Landrat auch wieder diesen gewissen Ausdruck im Gesicht, der dem Fickel bei der Beerdigung seiner Frau schon aufgefallen war. Zunächst sah es so aus, als sei er allein unterwegs, aber ein paar Sekunden nach ihm folgte die Oberstaatsanwältin, die ebenfalls eine riesige Sonnenbrille trug und mit ihrem Kopftuch entfernt an Grace Kelly erinnerte.
Vor dem Hotel tauchte plötzlich noch jemand auf, der dort offenbar ebenfalls auf den Landrat gewartet hatte: der feiste Glatzkopf, der gestern Abend auf der Party mit der bewusstlosen Gundelwein »so was« vorgehabt hatte. Davon schien die Oberstaatsanwältin aber nichts zu ahnen, denn sie ließ sich von der Glatze zur Begrüßung artig links und rechts auf die Wange busseln, auch wenn sie sich dazu ein gutes Stück herabbeugen musste. Der Fickel pirschte sich möglichst nah an die drei heran, indem er den Wäschewagen als natürliche Deckung langsam vor sich her schob.
»War wieder schön bei euch«, hörte er den kleinen Kahlen zum Kminikowski sagen. »Ich vermisse das so. Die Berge und alles.«
»Die Lebensqualität ist hier wirklich einzigartig«, hörte der Fickel seine Exfrau sagen. Der Glatzkopf nickte.
»Meiningen, Suhl, Oberhof, Schmalkalden – alles reizende Städte«, seufzte er theatralisch. »Und ich arme Sau muss jetzt in die Staatskanzlei!« Er wandte sich augenzwinkernd an die Oberstaatsanwältin: »Wenn Sie mal wieder Lust haben, meinen Kopf zwischen ihre Schenkel zu nehmen, rufen Sie mich an!«
Mit diesen für nicht Eingeweihte rätselhaften Worten drückte er der Gundelwein seine Visitenkarte in die Hand und lächelte jovial. Der Fickel staunte, dass er nach dieser durch und durch machistischen Aussage nicht mindestens Bekanntschaft mit der Faust der Oberstaatsanwältin schließen musste, im Gegenteil: »Ich bitte noch mal vielmals um Entschuldigung!«, erklärte die Gundelwein höflich und nur mit leisem Unterton. Der Fickel glaubte beinahe, sich verhört zu haben.
»Ach was, das war der Höhepunkt des Tages für mich!«, rief der Glatzkopf gut gelaunt. Dann verabschiedete er sich. »Auf bald, hoffentlich!« Seine fleischige, über alle Maßen behaarte Hand hielt die der Oberstaatsanwältin umklammert.
»Würde mich sehr freuen«, erklärte sie neutral.
»Sobald Sie diese schreckliche Geschichte
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