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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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mit seinen Halspastillen hatten, die er immer in seiner Jackettasche bei sich trägt, tauschte er die Heftchen kurzerhand aus.
    Dann bettete er die »Meininger Miss Marple« bequem auf die Liegestatt, legte ihre Beine hoch und verließ leise das Zimmer. Als er aus dem Gebäude ins Freie trat, fiel ihm sofort ein riesiger, silbergrau-metallisch blinkender Familienbus ins Auge. Dieses sportliche Gefährt kam ihm sofort irgendwie bekannt vor. Und als der Fickel dann auch noch das Kennzeichen KG sah, das bekanntlich für Bad Kissingen steht, da dachte er sich schon, dass das kein Zufall sein konnte. Schließlich hatte der Richter Hager, der mit seinem riesigen Wagen immer gleich zwei Parkplätze im Justizzentrum braucht, erst kürzlich das Betreuungsdezernat übernommen.
    Und als der Fickel gerade so schön am Denken war, traf noch ein weiteres erstaunliches Fahrzeug vor der Pension ein, und zwar ein royalgrüner Jaguar mit symmetrisch angeordneten Auspuffrohren. Eins war dem Fickel gleich klar: Wenn einer mit solch einem Fahrzeug derart rücksichtslos durch die Schlaglöcher heizte, dann hatte er es mit Sicherheit über alle Maßen eilig. Und als der Exner hektisch aus dem Fahrzeug sprang, widerlegte er diesen Eindruck nicht gerade.
    »Wartet hier auf mich!«, rief er den weiteren Insassen des Wagens zu, nämlich Ilona, Sveti und Slavi. Natürlich war der Fickel jetzt schon ein bisschen neugierig, wer oder was bei seinem ehemaligen Staatsbürgerkundelehrer so viel Adrenalin freisetzte, und folgte ihm in gebührendem Abstand. Doch obwohl er grob geschätzte zwanzig Jahre weniger auf dem Zähler hatte, musste er sich auf den Treppen ganz schön ranhalten, um nicht den Anschluss zu verlieren. Spätestens nach der zweiten Etage war ohnehin klar, wohin der Exner so flinken Fußes unterwegs war.
    Interessanterweise stand die Tür zum obersten Stockwerk heute sperrangelweit offen, und als der Exner weiter hinaufwollte, kam ihm bereits der Richter Hager persönlich entgegen – mit der augenscheinlich äußerst nervösen Ramona Dietz auf den Fersen.
    »Jetzt warten Sie doch mal!«, rief die Ärztin verzweifelt und hielt den Hager am Ärmel fest. Der Fickel blieb hinter einem Mauervorsprung stehen, von wo aus er das Geschehen gut im Blick behalten konnte, und sperrte beide Lauschlappen weit auf.
    »Ich hab wahrrrlich genug geseh’n!«, donnerte der Hager und riss sich los. So wütend und außer sich hatte der Fickel den sonst so zurückhaltenden fränkischen Kollegen noch nie erlebt. Sein Gesicht leuchtete himbeerrot, und in seiner fuchtelnden Körpersprache ähnelte er ein wenig dem frühen Louis de Funès. Der Fickel hätte nie für möglich gehalten, dass ein ausgeglichener Familienvater überhaupt zu derartigen Wutausbrüchen in der Lage war.
    Jetzt versuchte der Exner sein Glück und stellt sich dem Hager massig in den Weg: »Kommen Sie! Wir können doch in Ruhe über alles reden, net wahr?«, beschwor er den Richter. Und dann redete er leise und nachdrücklich auf den Hager ein – irgendwie ganz ähnlich wie früher auf seine Schüler, wenn sie nicht spurten.
    Jetzt hätte der Fickel eins von diesen Richtmikrofonen gebrauchen können, die man in den Stasi-Filmen immer zu sehen bekommt, denn leider verstand er nicht das Geringste von dem, was da zwischen den beiden Männern verhandelt wurde. Irgendwann schob der schmächtige Hager den massigen Exner einfach beiseite und rief zornig: «Ihrrre Errklärrrungen können Sie sich sparrren! Das wirrrd Folgen haben!« Ohne diese »Folgen« weiter zu beschreiben, eilte er treppab – ganz knapp am Fickel vorbei, jedoch ohne ihn in seinem Brass zu bemerken. Kaum dass er weg war, gingen der Exner und die Ramona Dietz dazu über, sich zu zoffen.
    »Wieso hast du ihn denn reingelassen?«, herrschte er sie an.
    »Was sollte ich denn machen?«, fauchte sie zurück. »Wenn der mir seinen Richterausweis unter die Nase hält, während du dich mit den Pflegerinnen amüsierst!«
    Der Fickel zog sich auf den Flur zurück und wartete vorsichtshalber ab, bis die Stimmen der beiden Streithähne im Treppenhaus verhallt waren. Und guck mal einer an: Als er kurz darauf wieder zurückkehrte, stand die Tür zum dritten Stock noch immer sperrangelweit offen! Der Fickel ist jetzt nicht unbedingt ein Draufgänger, aber er ist auch nicht der Typ, sich solch eine Einladung entgehen zu lassen. Ehe sich Zweifel melden konnten, fasste er sich ein Herz und sprang wie eine junge Gämse die Stufen hoch,

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