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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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Schließlich wollte die Driesel nicht, dass ihre Idee zu früh publik wurde. Man weiß ja, dass der Amthor nie sein Maul halten kann. Überhaupt verhielt sich der Amthor sogar für seine Verhältnisse merkwürdig, vielleicht aus Nervosität oder weil er mit mächtigen Frauen wie der Driesel von Haus aus ein Problem hat.
    Als die Kellnerin die Teller brachte, orderte der Fickel gleich eine offizielle Rechnung, um sie als Bewirtungskosten von der Steuer abzusetzen. Woraufhin der Amthor nur mit dem Kopf schüttelte und meinte: »So ein frecher Hund!« Denn dass dies kein Geschäftsessen im engeren Sinne war, leuchtete selbst dem Laien ein. Wie überhaupt der Fickel ein Fuchs ist, wenn’s ums Steuernsparen geht. Sein Zimmer bei der Schmidtkonz mit dem unvergleichlichen Blick auf den Töpfermarkt und die Stadtkirche Unserer lieben Frauen mit der dekorativen kleinen Brücke zwischen den beiden markanten, grün gedeckten Türmen, mitten in der historischen Altstadt, ist beim Finanzamt als Büro oder vielmehr Kanzlei deklariert, während die winterfeste Datsche an der Werra offiziell seinen Hauptwohnsitz bildet. Und der ganze Aufwand nur, um die einhundertfünfzig Euro Miete, die er der Schmidtkonz immer pünktlich zum Fünfzehnten überweist, beim Fiskus abzusetzen! Natürlich hat das Zimmer bei der Schmidtkonz, in dem sich nur ein Schrank, ein als Couch getarntes Schlafsofa und zwei unbequeme Stühle befinden, mit einer Kanzlei so viel zu tun wie ein Taubennest mit einem Adlerhorst. Aber als Rechtsanwalt genießt man beim Finanzamt natürlich gewisse Freiheiten. Schließlich machen sich gewisse Kollegen ja geradezu einen Spaß daraus, die Beamten mit Dunkelnormen aus dem Steuerrecht zu malträtieren, bis die aus purer Verzweiflung klein beigeben und sich lieber die Fingernägel ausreißen würden, als sich noch einmal mit einem Anwalt anzulegen. So surft der Fickel auf dem Respekt, den andere für seinen Berufsstand erarbeitet haben.
    Wenn dem Fickel aktuell etwas schwer im Magen lag, dann war das sicher nicht die horrende Rechnung für den Amthor, sondern wohl eher die eben verzehrten Bratkartoffeln mit den vielleicht doch etwas zu kross gebratenen Zwiebeln. Zu allem Überfluss hatte sich auch noch ein Stück Knorpel aus der Sülze zwischen seine Backenzähne geschoben und übte nun ein unangenehmes Druckgefühl auf das Zahnfleisch aus. Eigentlich hatte der Fickel ohnehin gleich nach dem Essen nach Hause gehen und ein kurzes Verdauungsnickerchen halten wollen, aber da kam dann leider wieder etwas dazwischen: Als die Driesel, der Amthor und der Fickel sich gerade noch einen Kaffee bestellt hatten, wanzte sich ein Richterkollege mit randloser Brille zu ihnen an den Tisch. Es war jener Jungrichter, der bei dem Bankett der Driesel gefehlt hatte und der so unscheinbar war, dass der Fickel sich nie seinen Namen merken konnte. Zum Glück begrüßte ihn die Driesel mit einem freundlichen »Ach, sieh mal an, der Hager. Auch mal hier?«.
    Das einzige charakteristische Merkmal am Hager ist sein fränkischer Dialekt. Ansonsten ist er eher ein Vertreter der Spezies »Leisetreter«. Nur dass er, obwohl er eher schmächtig gebaut ist, ein riesiges Auto fährt, mit dem er immer den halben Parkplatz am Justizzentrum versperrt, so eine Art Familienbus in Sportausführung – auf gut Deutsch: Van –, mit dem er tapfer zwischen seiner fränkischen Heimat und dem Arbeitsplatz in Meiningen pendelt. Denn seine Frau weigert sich seit Jahren standhaft, in die »Zone« zu ziehen.
    Wie der Fickel nun also mit der Gesellschaft am Tisch saß, fragte er sich insgeheim, was die Juristen eigentlich für eine Macke mit den blauen Klamotten hatten. Der Amthor stahlblauer Pullunder, der Hager babyblaues Hemd mit nachtblauer Krawatte und die Bluse von der Driesel natürlich marineblau mit goldenen Knöpfen, fast so groß wie Untertassen. Offenbar gibt es in jeder Berufsgruppe einen unbewussten Hang zur Uniformität, oder Juristen sind einfach aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht imstande, im Kaufhaus am Grabbeltisch mit den blauen Sachen vorbeizugehen. Der Fickel hingegen repräsentiert modisch mit seinem abgenutzten Cordsakko und dem farbenfrohen Karopulli eher den Typ »abgebrochener Soziologiestudent«.
    Aus dem Tischgespräch über die Nöte und Freuden des Juristenberufes hielt sich der Fickel höflich raus, weil er zu dem Thema einerseits nicht viel beizutragen hatte und andererseits, weil sich das Knorpelstück aus der Sülze mittlerweile

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