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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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nämlich dass die Kminikowski in den letzten Wochen offenbar Opfer eines unbekannten Stalkers gewesen war. Jedenfalls hatte sie dem Kollegen anvertraut, dass sie ständig das Gefühl habe, verfolgt zu werden. Da wunderte sich die Driesel nun schon ein bisschen. Denn so viel sie in letzter Zeit mit der Kminikowski auch zu tun gehabt hatte, von einem Stalker hatte ihr die Kollegin nichts erzählt. Der Hager meinte, dass sie die Geschichte wohl nicht an die große Glocke habe hängen wollen, solange keine handfesten Beweise für die Existenz des Stalkers vorgelegen hätten. Die Kminikowski habe es natürlich vermeiden wollen, für überspannt oder sogar psychisch labil gehalten zu werden. Wie der Amthor augenzwinkernd hinzufügte, gehöre es für eine Frau in einer gewissen Stellung inzwischen fast zum guten Ton, einen Stalker zu haben. Doch so richtig froh geworden ist er mit seiner forschen Bemerkung nicht.
    Während die Driesel genüsslich ihren Schwedeneisbecher [ 6 ] in sich hineinlöffelte, erkundigte sie sich angelegentlich und vielleicht auch eine Spur hinterhältig beim Hager, ob er, wenn er denn jetzt auf Lebenszeit ernannt werden würde, mit seiner kleinen Familie nicht nach Meiningen umzuziehen gedenke. »Bei uns gibt’s doch auch ganz hübsche Kindergärten, gelle?«
    Da kam der Hager leicht ins Schlingern, schließlich wollte er niemandem zu nahe treten, und fabulierte etwas von »Infrastruktur«, »passendem Umfeld für Kinder«, »Mütternetzwerken« und »passenden Schulen«, dass man glatt eine Elternzeitschrift damit hätte füllen können. Aber dann legte er die Karten doch noch auf den Tisch und meinte abschließend: »Meine Frrrau ist bei uns im Frrrängischen sehrrr verrrwurrrzelt. Ein Umzug kommt im Moment ned in Bedrrracht.«
    Und hier wird leider wieder mal sehr offensichtlich, wie es um die innere deutsche Einheit in Meiningen bestellt ist, zumindest in der Justiz: hier die Thüringer, dort die Aufbauhelfer, die wie der Hager oder auch der Leonhard weiter in die alten Bundesländer pendeln, obwohl die Buschzulage längst ersatzlos gestrichen worden ist. Aber so ein Richter genießt immerhin ein paar Freiheiten, was seine Arbeitszeit angeht. Da liegt es natürlich nah, einen gewissen Teil der Aktenarbeit daheim in Hessen, Franken oder Niederbayern zu erledigen, vorzugsweise am Montag oder Freitag. Und so ist es zu erklären, dass die Meininger Gerichte montags und freitags höchstens zur Hälfte besetzt sind und die Damen in der Geschäftsstelle im Grunde auch nackt im Büro sitzen könnten, ohne dass es jemand bemerken würde.
    Von der ganzen Aufregung um den Mord an der Kminikowski hatte der Fickel, während er seine Frühjahrserkältung im Garten auskurierte, kaum etwas mitbekommen, obwohl sich die Stadt seitdem in einem Ausnahmezustand, quasi einer Art kollektivem Schock befand. Zur allgemeinen Nervosität hatten sicher auch die Reihenuntersuchungen beigetragen, mit denen die Polizei auf freiwilliger Basis die DNA unbescholtener Ehemänner und Nichtehemänner nach dem Muster des Täters durchkämmte. Der Amthor hatte natürlich als einer der Ersten seinen Speichel abgegeben. Vielleicht hatte er auch nur Angst, dass er verdächtig sein könnte, weil er der Kminikowski mit ihren kurzen Röcken auf dem Flur immer mit Teleskopaugen hinterhergeglotzt hat. Aber da war er ja weiß Gott nicht der Einzige.
    »Wenn sich die jungen Kolleginnen immer so anziehen, als würden sie in den Swingerklub gehen, dann gibt’s halt Kollateralschäden«, erklärte die scheidende Amtsgerichtsdirektorin abschließend zu dem Thema. Als Frau durfte sie so etwas sagen, nur der Amthor wusste jetzt nicht, ob er als Mann über die Bemerkung auch lachen durfte. Aber als erst der Fickel und dann sogar der Hager, letzterer sicher nicht ganz frei von Berechnung, alle Political Correctness fahren ließen und in beinahe kindliche Heiterkeit ausbrachen, da fiel auch der Amthor mit seinem dröhnenden Bariton in das Lachen ein, dass sich die Gäste an den Nebentischen verwundert umblickten. Derart gut gelaunte Juristen sieht man selten, zumal unter den gegenwärtigen Umständen.
    Nach dem Verdauungsschnäpschen hatte es der Hager plötzlich sehr eilig und verabschiedete sich, um schnell wieder an seinen Schreibtisch zu kommen. »Die Pflicht rrruft!« Schließlich wurde er zum Abendessen wieder daheim im Kreise seiner Familie erwartet. Als er weg war, meinte die Driesel kopfschüttelnd: »Diese armen Pendler! Wollen sich

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