Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
angeschlossene Gastronomieeinheit, die nur ein paar Schritte vom Eingang entfernt zur Erfrischung einlädt. Die Goetzhöhlenbaude bildet architektonisch ein Mittelding zwischen einem chinesischen Teehaus und einer Hundehütte, aber wer drinnen oder davor auf der Terrasse sitzt, kann seine Blicke herrlich über die sanften Windungen des Werratals und die inzwischen hübsch renovierten Dächer der Meininger Altstadt schweifen lassen.
Der Fickel und Rainer Kummer hatten wie üblich mehr Glück als Verstand. Denn Kriminalrat Recknagel hatte, nachdem er seinen vorläufigen Bericht fertiggestellt und diesen bei der Staatsanwaltschaft abgegeben hatte, genau die gleiche Idee gehabt und sich für ein kleines Feierabendpils auf den Dietrichsberg begeben. Weil die Baude inzwischen aber schon gut gefüllt war, sodass Höhlen-Micha gar nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand, setzte sich der Recknagel kurzerhand mit an den Tisch der beiden und erklärte sich bereit, die Skatrunde zu vervollständigen.
Natürlich fragte der Rainer Kummer dem Recknagel fast Löcher in den Bauch, als er hörte, dass der die Leitung der »Mordkommission Kminikowski« innehatte, aber der Recknagel behielt seine Dienstgeheimnisse selbstverständlich für sich. Doch dann hatte der Fickel plötzlich einen Grand ohne vier auf der Hand und wollte den Recknagel ein bisschen ablenken, damit der nicht ausgerechnet Kreuz anspielte. Aus dem Grunde erkundigte er sich en passant, ob die Kripo denn inzwischen schon den Stalker der Kminikowski gefunden habe. Aber merkwürdig: Von einem Stalker hatte der Kriminalrat noch nie etwas gehört! Da fragt man sich natürlich, was treiben die da eigentlich den ganzen Tag in ihrer Mordkommission? Der Recknagel seufzte nur und meinte, man brauche sich diesbezüglich keinen Illusionen hinzugeben. Letztlich war er als Leiter der » MK « fast allein für den Erfolg der Ermittlungen verantwortlich, und deshalb war der Kriminalrat jetzt natürlich neugierig, wo der Fickel die Geschichte mit dem Stalker aufgeschnappt hatte. Aber der Fickel wollte den Hager nicht bloßstellen, falls der sich die Geschichte ausgedacht hatte, um sich interessant zu machen, und verwies nur allgemein auf eine Quelle in der Kollegenschaft. Und weil er jetzt so intensiv über den Stalker nachdachte, passte der Recknagel einen Moment nicht auf und spielte dem Fickel genau in die Farbe, sodass der Rainer Kummer jammernd mit einer Karo-Zehn bedienen musste.
Vor dem nächsten Stich fragte der Kriminalrat angelegentlich nach, ob Fickels Quelle auch irgendetwas über einen Jugendlichen im Zusammenhang mit der Kminikowski berichtet habe. Jetzt war der Fickel seinerseits einen Moment irritiert und spielte nochmals Karo aus, obwohl ein Blinder sehen musste, dass er damit nicht durchkommen würde. Weshalb nun der Recknagel natürlich die Gelegenheit ergriff und mit einem niedrigen Trumpf abräumte. Und ab dem Moment sah der Fickel im gesamten Spiel keinen einzigen Stich mehr. Während der Rainer Kummer genüsslich die Miesen zusammenzählte, die der Fickel gemacht hatte, orderte der mit gebührendem Zorn bei Micha gleich die nächste Lage Bier. »Die geht dann wohl auf mich!«
Aber das war natürlich ein Bauerntrick. Denn je länger das Spiel dauerte und je mehr Runden ausgegeben wurden, desto mehr zogen der Rainer Kummer und der Fickel dem Kriminalrat in aller Freundschaft das Fell über die Ohren. Und das, obwohl der Kriminalrat hätte schwören können, dass er eine Glückssträhne hatte. Doch es war wie verhext: Er versiebte ein sicheres Blatt nach dem anderen! Irgendwo drängte sich natürlich der Verdacht auf, das könne nicht mit rechten Dingen zugehen, aber – Kriminalist hin oder her – er konnte seinen beiden Mitspielern beim besten Willen nichts nachweisen. Und so zahlte der Recknagel eine Runde nach der anderen und wurde immer betrunkener, was ihn nur umso mehr zur leichten Beute machte. Objektiv betrachtet war das vielleicht nicht ganz im Sinne des Fairplays, aber so läuft es nun mal unter Zockern, und wer da nicht mitzieht, der soll halt zu Hause bleiben.
Etwas später am Abend, als sich die Baude langsam leerte, setzte sich der Höhlen-Micha noch zu den Skatfreunden an den Tisch und gab eine Runde Schlehen-Wodka aus. Und dann machte er eine kleine Umfrage, ob sich einer der Anwesenden vorstellen könne, dass an den sonnigen Berghängen an der Werra alsbald wieder im großen Stil Wein angebaut werden solle wie einst im Mittelalter. »Wär’
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