Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
Vom Netzwerk:
Feiertagsprogramm im Fernsehen.
    »Blöde Kuh!«
    Der Kriminalrat glaubte sich verhört zu haben. Aber die Amtsgerichtsdirektorin zeigte keinerlei Anzeichen, dass ihr die Bemerkung etwa nur versehentlich rausgerutscht sei. Und wo sie schon mal am Schimpfen war, fügte sie fassungslos hinzu: »Der Hager kann was erleben. Geht fröhlich wandern und überlässt mir die ganze Arbeit!« Dann wandte sie sich mit ausgesuchter Höflichkeit an den Kriminalrat und fragte: »Haben Sie zufällig ein Anwaltsverzeichnis zur Hand?«
    Nach dem verstörenden Intermezzo im Park hatte der Fickel keinen sehnlicheren Wunsch verspürt, als sich zu Hause in sein Bett zu verkriechen und den Abend mit einer Tasse Kamillentee ausklingen zu lassen. Aber als er die Wohnung der Schmidtkonz betrat und die zerbrochene Vitrine im Flur erblickte, da hatte er gleich so ein merkwürdiges Bauchgefühl – und das hatte nichts mit den Kräuterschnäpsen zu tun.
    Als aus dem Wohnzimmer seiner Vermieterin auch kein Fernsehergeräusch zu hören war, da konnte er sich im Grunde schon denken, dass etwas nicht stimmte – wo sie doch im MDR schlauerweise genau am Herrentag den neuen Film mit der Neubauer zeigten. Die ist nämlich eine »Klassefrau«, die Neubauer, und die Schmidtkonz versäumt normalerweise keinen einzigen Film mit ihr, selbst wenn Biathlon auf dem anderen Kanal läuft. Nur, der Fickel hält so ein Klassefrauen-Drama einfach nicht aus, zumal in seinem absolut klassefreien Zustand, und deswegen wollte er eigentlich gleich diskret in sein Zimmer abbiegen. Aber die alte Schmidtkonz saß ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit nicht vor ihrem brandneuen Flatscreen-Bildschirm, sondern hockte einfach nur still und verloren in ihrem Sessel und starrte traurig Löcher ins abendliche Zwielicht. Und da gingen dem Fickel plötzlich die Worte seiner Mutter durch den Kopf: »Auch der schönste Tag geht irgendwann mal zu Ende.«
    Natürlich hatte den Fickel sein komisches Bauchgefühl nicht getrogen. Und als er jetzt das Foto auf dem Kamin sah, da fiel ihm auch wieder ein, woher er die Visage von diesem neunmalschlauen Rechtsreferendar kannte, der sich bei der Verhandlung mit dem Postboten derart aufgespielt hatte. Im Allgemeinen verfügt der Fickel nicht über ein besonders gutes Personengedächtnis, was auch nicht nötig ist, denn in einer Kleinstadt wie Meiningen laufen einem eh immer dieselben Charaktere über den Weg.
    Als ihm die alte Schmidtkonz nun jedoch unter Tränen berichtete, dass ihr ganzer Stolz, ihr geliebter Enkelsohn René, wegen des doppelt schrecklichen Verdachts der Vergewaltigung und des Mordes an seiner Ausbilderin festgenommen worden war, da wusste der Fickel zuerst nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Dabei hatte er durchaus einen Sinn für die Ironie, dass ausgerechnet dieser indolente Hosenscheißer von Rechtsreferendar Opfer eines Justizirrtums geworden war. Denn natürlich traute er dem Enkel einer liebenswürdigen Person wie der Frau Schmidtkonz solch ein abscheuliches Verbrechen einfach nicht zu, nicht mal im Traum!
    Seine Vermieterin jedenfalls verstand die Welt nicht mehr. Wiewohl der Fickel das Strafrecht überwiegend nur aus amerikanischen Krimiserien der achtziger Jahre kannte, gelang es ihm mit einigen wohlklingenden juristischen Phrasen immerhin, die alte Dame wieder so weit zu beruhigen, dass ihr vor Erleichterung und Dankbarkeit erneut die Tränen kamen. Von einer Riesenlast befreit, entdeckte die Frau Schmidtkonz auch ihre mütterliche Ader wieder und stellte besorgt fest, wie blass der Fickel überhaupt aussah oder vielmehr »grün im Gesicht«. Um ihn aufzupäppeln, servierte sie ihm als Sofortmaßnahme gleich einen kompletten Kringel der delikaten Barchfelder Rotwurst, die sie für alle Fälle in der Speisekammer hortete. In Thüringen verzehrt man Rotwurst nämlich nicht in dünnen Scheiben auf dem Brot, sondern eher wie andernorts ein Schnitzel oder ein saftiges Rindersteak.
    Manch einer fragt sich da vielleicht: Wie ist das möglich? Eben hat der Mann noch seinen Magen umgekrempelt, und jetzt frisst er schon wieder Rotwurst! Aber erstens ist die Barchfelder Rotwurst zufällig Fickels Leibgericht, und zweitens hatte er jetzt, wo das maue Bauchgefühl weg war, tatsächlich wieder Platz in seinem Inneren. Und während der Fickel also reinhaute, dass er auf einem Vegetarierkongress vermutlich gelyncht worden wäre, erzählte ihm die Schmidtkonz, wie es zu der Verhaftung ihres Enkels gekommen war.
    In den

Weitere Kostenlose Bücher