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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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selbstredend nicht darauf verzichten und hatte deswegen rechtzeitig die Timeshift-Funktion aktiviert. Wenn sich jemand wundert, wie so eine alte Dame einen Timeshift einstellen kann, dann kennt er die Frau Schmidtkonz schlecht. Die hat früher nämlich beim VEB Piko Elektrik gearbeitet und sich seitdem, was die moderne Kommunikationstechnologie angeht, ständig auf dem Laufenden gehalten, auf gut Deutsch: up to date .
    Als der Fickel keine zwanzig Minuten später endlich beim Gericht eintrudelte, war es erstens bereits stockfinster, und zweitens war natürlich niemand mehr anzutreffen, am wenigsten die Amtsgerichtsdirektorin Driesel. Der Fickel wäre in der Situation glatt wieder nach Hause gefahren, hätte sich dreimal geschüttelt, und am nächsten Tag wäre ihm wahrscheinlich alles nur wie ein schlechter Traum vorgekommen. Aber als er gerade im Wenden begriffen war, lief ihm just der Kriminalrat Recknagel über den Weg, der noch alle möglichen Berichte hatte schreiben müssen und drauf und dran war, seinen wohlverdienten Feiertagsfeierabend anzutreten. Und weil der Kriminalrat das dringende Bedürfnis hatte, nach diesem langen Tag wenigstens den Rest des Abends in Ruhe mit seiner Frau zu verbringen, die im Gegensatz zu den meisten Frauen leidenschaftlich gern Schwedenkrimis guckte, insbesondere die blutigen, die nach zweiundzwanzig Uhr liefen, hielt er gar nicht erst an, sondern lief eiligen Schrittes am Fickel vorbei direkt zu seinem übermotorisierten Dienstwagen.
    »Morgen fünfzehn Uhr ist Anhörung. Die Akte wird Ihnen zugestellt«, rief er dem verdutzten Fickel zu. Der versuchte in der Dunkelheit vergebens, der Miene vom Recknagel zu entnehmen, ob der ihn womöglich hochnehmen wollte. Polizeibeamte verfügen nämlich über einen speziellen Humor. Klarstellungshalber erklärte der Fickel daher reaktionsschnell, dass er für so eine Aufgabe gar nicht qualifiziert sei. Wozu gab’s schließlich Fachanwälte? Der Kriminalrat zuckte mit den Achseln. »Nicht mein Bier! Wenden Sie sich an die zuständige Richterin!«
    Ein Blick über die Fassade des Gerichtes genügte, um festzustellen, dass niemand mehr im Hause war. Der Recknagel blickte auf die Uhr. »Tja, der Eildienst endet um einundzwanzig Uhr. Aber es gibt ja noch den kurzen Dienstweg …« Er deutete Richtung Herrenberg, an dessen Hang sich das Weingartental hinaufschlängelte, eine bevorzugte Wohnlage mit Gebirgsappeal. »Auch wenn der jetzt für mich ein bisschen steil wäre, mit dem Rad.« Jetzt grinste der Kriminalrat eindeutig – mit unverhohlener Schadenfreude! »Ich würde Sie ja fahren, aber ich werde erwartet«, entschuldigte er sich, bevor er in sein staatlich finanziertes PS -Wunder stieg und den Fickel in einer Dieselrußwolke stehen ließ. Offenbar hatte er doch noch nicht ganz vergessen, wie ihm der Fickel beim Skat gemeinsam mit dem Rainer Kummer die Hosen ausgezogen hatte.
    Der Fickel überlegte angestrengt. Irgendwo hatte es sicher auch Zeit bis morgen, die Sache aufzuklären. Andererseits, wieso warten, bevor aus einem ins Rutschen gekommenen Kiesel eine Lawine wurde?
    In einem für ihn absolut untypischen Anfall von Tatendrang klemmte sich der Fickel fluchend wieder auf seinen Drahtesel und lenkte ihn Richtung Herrenberg, dem Mont Ventoux Südwestthüringens, wenn man so will. Noch fast mit Ruhepuls fuhr der Fickel an der mit Partylichterketten illuminierten Gartenkneipe »Zur blauen Primel« vorbei, wo die Stimmung durch Kräuterschnaps- und andere Quizspiele mittlerweile im wörtlichen Sinne eingeschlafen war. Ein Gast hatte sich zwei Stühle zusammengeschoben und schnarchte in Embryonalstellung vor sich hin, ein anderer hatte seinen Kopf auf den Tisch gebettet, das Bierglas immer noch fest in der Hand.
    Anschließend ging es immer an den Flutmulden entlang, vorbei am orange beleuchteten Schloss mit den aus dem Dunkel grüßenden Akt-Statuen und schließlich über die rund geschwungene Schlossbrücke über die Werra. Erst jetzt schaltete Fickel den kläglich jammernden Dynamo aus, der unnötig Muskel- und Nervenenergie verschwendete.
    Die Steigung begann zunächst langsam, bevor sie spürbar anzog. Der Fickel verfluchte Rotwurst und Nudelsalat in seinen Eingeweiden und strampelte, was seine Muckis hergaben. Als Anschieber bei den Bobfahrern waren seine Kraftwerte legendär gewesen. Aber erstens war das inzwischen schon einige Jährchen her, und zweitens war das Angenehme beim Bobfahren immer gewesen, dass es dort ausschließlich

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