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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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fand, äußerst originellen Antwort-Mail gefeilt hatte! Die Kollegen in der Staatsanwaltschaft sahen es der Gundelwein jedenfalls schon an der Nasenspitze an, dass mit ihr heute nicht gut Kirschen essen war; und es gab Grund zu der Befürchtung, dass sich ihre Laune noch weiter verschlechtern würde, angesichts der neuesten Entwicklungen in der Mordgeschichte. Doch als die Gundelwein den Namen des Pflichtverteidigers, der für den Beschuldigten René Schmidtkonz bestellt worden war, erfuhr, bekam sie einen derartigen Lachanfall, dass sich die Kollegen aus ihrer Abteilung schon fragten, ob sie ihre Chefin nicht lieber in die Geschlossene einweisen lassen sollten – wobei es auch einige geben soll, die meinen, dass sie dort sowieso am besten aufgehoben wäre.
    Dieser Meinung hätte sich der Fickel ohne zu zögern angeschlossen. Aber im Moment hatte er bekanntlich anderes zu tun, als über den Geisteszustand seiner Exfrau nachzudenken. Denn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen spürte er am Morgen nach dem Herrentag so ein leichtes Stechen in den Schläfen, das auch nach intensiver Behandlung mit kaltem Wasser nicht restlos weichen wollte. Aber die Frau Schmidtkonz brühte ihm zum Frühstück einen Kaffee von der Sorte, die die Magenwände erzittern lässt, und nachdem der Fickel den ausgetrunken hatte, empfand er die Schmerzen im Schädel plötzlich als gar nicht mehr so gravierend.
    Es gibt Mitbürger in Meiningen, die sich wundern, warum sich der Fickel als Rechtsanwalt nicht endlich ein repräsentativeres Auto leistet. Aber wer einst im Sommer ’89 sechzehntausendfünfhundert Mark/Ost für einen gebrauchten beigebraunen Wartburg 353 Tourist hingelegt hat und dann nach einer unvorhergesehenen historischen Volte über viele Jahre sechzehntausendfünfhundert Mark/West an den Rainer Kummer abstottern musste, weil der ihm das Geld aus einer Erbschaft vorgestreckt hatte, der misst seinem Wagen letzten Endes auch einen ideellen Wert bei. Ein Umweltschützer vermag für derartige Sentimentalitäten vielleicht nicht so viel Verständnis aufbringen, ganz zu schweigen von den Leuten, die in ihren SUV s und Sportcoupés in Richtung Untermaßfeld ausgebremst wurden, weil der Fickel sich mit seinen fünfzig Pferdestärken einfach nicht traute, den mit circa sechzig Kilometern in der Stunde vor ihm her rasenden Schwerlastzug zu überholen.
    Besonders schlimm erging es zweifellos den Cabriofahrern, die vom sonnigen Wetter auf die Straße gelockt worden waren, weil der Fickel mal wieder aus Versehen ein paar Zentiliter zu viel Öl in den Tank seines Zweitaktmotors gekippt hatte und eine imposante graublaue Nebelbank hinter sich her zog. Einige Leute behaupten, dass man hinter einem kleinen grauen Wölkchen, das bei Google Earth über dem Kreis Schmalkalden-Meiningen schwebt, bei genauerem Hinsehen Fickels beigebraunen Wartburg erkennen kann.
    Zu seiner Entschuldigung muss man dem Fickel aber zugutehalten, dass er in seiner Kindheit im Schelmengraben gewohnt hat, also in direkter Nachbarschaft zum RAW [ 14 ], wo seinerzeit bis zu dreitausend sozialistische Arbeiter marode Dampfloks aus aller Welt restaurierten. Wahrscheinlich hatte sich da irgendetwas in Fickels kindlichem Kopf festgesetzt, wie majestätisch das immer ausgesehen hatte, wenn die Rauchschwaden bei den Druckkesselreinigungen unter einem markanten Zischen säulenartig aus den Schloten in die Luft stiegen. Auch wenn die Mutter jeden Samstag aufs Neue geschimpft hatte, dass man ja seine Wäsche draußen nicht aufhängen konnte, denn damals wurde auch am Wochenende gearbeitet. Heutzutage ist das RAW längst ein moderner marktwirtschaftlicher Betrieb mit gerade noch hundert Beschäftigten und stinkt eigentlich kaum noch. Dafür stinkt jetzt der Fickel.
    Während der Auspuff des Wartburgs immer neue Nebelschwaden ausspuckte, kam dem Fickel hinter seinem Lenkrad auch so einiges nebulös vor. Schließlich hatte die Akte mit den Ermittlungsergebnissen der Polizei kaum eine der aufgeworfenen Fragen beantwortet, zum Beispiel, was sich der René eigentlich dabei gedacht hatte, den Reihenuntersuchungen fernzubleiben und mit seiner Flucht den Verdacht auf sich zu lenken. Als Rechtsreferendar hätte er doch wissen können, dass er damit nicht durchkam. Zumal er auch noch ausgerechnet Schuhgröße zweiundvierzigeinhalb besaß, exakt passend zu den am Tatort aufgefundenen Fußspuren!
    Wenn man jetzt noch die sexuellen Fantasien eines durchschnittlichen Polizeibeamten berücksichtigte,

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