Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
probieren?« Mit stolzem Gesicht präsentierte die Driesel eine Flasche. »›Meininger Spätlese‹. Davon gibt es nur sechs Flaschen.«
Sie füllte zwei Fingerhüte mit dem kostbaren Rebensaft, den sie den wenigen älteren Stöcken in ihrem Garten abgerungen hatte. Der Fickel probierte mit gebotener Vorsicht, und wenn das Sprichwort »sauer macht lustig« tatsächlich zutrifft, dann musste die Driesel der fröhlichste Mensch auf Erden sein.
»Gar nicht so übel, gell?«, fragte die Driesel gespannt, und der Fickel log drauflos, dass sich sämtliche Balken des Blockhauses bogen: »Schöne Nase, feine Säure, super Abgang.« Wie man eben so spricht unter Önologen.
»An der Struktur muss ich natürlich noch arbeiten«, meinte die Driesel bescheiden. Sie wollte bereits nachschenken, aber der Fickel wehrte unter Hinweis auf die knappen Ressourcen höflich ab.
»Cognac?«, fragte die Driesel nun, und obwohl Fickels Magen und Leber immer noch nicht harmonierten, sagte er nicht Nein und setzte sich in Erwartung einer weiteren Gaumenmarter in den erstbesten mokkabraunen Ohrensessel der Marke »Parteisekretär«. Doch zum Glück hatte die Driesel bei der Auswahl des Cognacs ausnahmsweise so etwas wie Geschmack bewiesen.
»Aus den Trauben können wir später vielleicht Brandwein herstellen«, sinnierte sie und schwenkte den alten Cognac genüsslich in ihrem Glas. Der Fickel wollte seiner langjährigen Weggefährtin nicht schon wieder einen Korb geben und erklärte zögernd, er könne sich durchaus vorstellen, bei dem Projekt mitzuwirken, nur im Moment gebe es leider, leider noch andere Verpflichtungen, aber man könne ja nie wissen, vielleicht in ein paar Monaten.
Die Driesel ließ Fickels Ausflüchte im Raum stehen, dann meinte sie mit einem Anflug von Ironie: »Sie sind bestimmt nicht extra hergekommen, um über Weinveredelung zu reden.«
Der Fickel machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. Immerhin hatte er seiner Vermieterin versprochen, sich für ihren Enkel zu verwenden. Die Driesel hörte sich alles an und winkte müde ab. »Wegen dem Bengel lasse ich mir keine grauen Haare wachsen«, erklärte sie. »Haut einfach ab, der Knilch! – Wie blöd kann man denn sein?«
Laut des ihr vorliegenden Berichts von Kriminalrat Recknagel stand der Zugriff des SEK vollkommen im Einklang mit der Strafprozessordnung. Andererseits konnte man natürlich auch verstehen, dass die jungen Beamten bei so einem Zugriff mal ein bisschen Dampf ablassen mussten. Wer tuckerte schon gern am Feiertag im Mannschaftswagen durchs halbe Bundesland, nur weil so ein Bengel seine Triebe nicht im Griff hatte?
»Denken Sie wirklich, dieser kleine Klugscheißer hat seine Ausbilderin vergewaltigt und hinterher kaltblütig mit der Robe erwürgt?«, fragte der Fickel ungläubig nach.
Die Driesel überlegte. »Was ich denke, spielt keine Rolle. Die Staatsanwaltschaft hat sich auf ihn eingeschossen – Druck von oben, verstehen Sie? Und zwar buchstäblich!« Überflüssigerweise deutete sie zur Erklärung mit der Hand die Körpergröße der Gundelwein an.
Den Fickel schüttelte es leicht bei der Erwähnung seiner Exfrau. Auch die Driesel kippte bei der Erinnerung an die heutige Auseinandersetzung mit der Gundelwein ihren Cognac rasch hinunter.
»Die Hölle hat sie mir heiß gemacht, nur weil der Hager am Feiertag mit Kind und Kegel durch die Fränkische Schweiz wandern musste und dabei offenbar vergessen hat, dass das Diensthandy da kein Netz hat«, erklärte sie genervt. »Ich hätte meinen Laden nicht im Griff. Tsss …«
»Für menschliche Schwächen hatte meine Ex noch nie viel Verständnis«, konzedierte der Fickel.
Die Amtsgerichtsdirektorin füllte seufzend Cognac nach. »Mit dem Justizminister hat sie mir gedroht, sogar mit Dienstaufsichtsbeschwerde – von wegen Grundrecht auf den gesetzlichen Richter und so weiter. In der Haut vom Hager möchte ich auch nicht stecken.«
Fickel blickte fragend rüber.
»Falls die Oberstaatsanwältin bei dem Termin morgen ihren Willen nicht bekommt, nagelt sie ihn an die Wand.«
»Und was ist mit der richterlichen Unabhängigkeit?«, fragte der Fickel mit der ihm in juristischen Dingen eigenen Naivität.
»Der Hager ist noch Proberichter«, erklärte die Amtsgerichtsdirektorin geduldig. »Wenn der jetzt so einen Fauxpas in der Akte hat, dann steht seine Ernennung auf Lebenszeit auf dem Spiel.« Sie schenkte dem Fickel den mittlerweile dritten Cognac ein und fügte hinzu: »Das wäre, gelinde gesagt,
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