Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Was hatte das bucklige Riesenbaby in einem Seniorenheim verloren?
Mit einem lockeren Spruch über die Qualität französischer Autos und speziell der Auspuffanlagen wanzte sich der Fickel an die beiden schwergewichtigen Pfleger ran. Aber die waren natürlich ein anderes Kaliber als die freundliche Schwester Ilona, sein flirtiver Augenaufschlag half ihm hier gewiss nicht weiter. Die beiden Pfleger konnten sich angeblich nicht mal daran erinnern, gestern Vormittag überhaupt auf dem Friedhof gewesen zu sein. Aber damit erreichten sie beim Fickel nur das Gegenteil von dem, was sie wollten. Denn wenn sich jemand blöd stellt, dann kann man sicher sein, dass er auf vermeintlich intelligente Weise versucht, etwas zu verbergen! Mit dieser Taktik war der Fickel aus seiner eigenen Berufspraxis bestens vertraut.
Zwei Stunden später saß der Fickel am reich gedeckten Mittagstisch seiner Vermieterin und übte Manöverkritik. Selbstredend interessierte sich die Frau Schmidtkonz besonders brennend für jedes Detail, das ihren Enkel entlasten konnte. So kam sie auch gleich auf die Idee, der Bucklige könnte die Kminikowski auf dem Gewissen haben. Und damit sprach sie im Grunde nur einen Gedanken aus, der auch dem Fickel schon während der Heimfahrt durch den Kopf gegangen war: Wenn sich dieser mit Urkräften ausgestattete Kerl auch am Mordabend im Englischen Garten herumgetrieben hatte … Man weiß ja nie, was im Kopf von so einem Verrückten vorgeht!
Die Frau Schmidtkonz hatte in ihrem langen Leben so viele Folgen Polizeiruf und Soko gesehen, dass sie bei ihrer Kompetenz sofort bei der Mordkommission hätte anfangen können, wenn sie nicht längst die Pensionsgrenze überschritten hätte. Aber in Fickels Vermieterin schlummerte nicht nur eine verkappte Miss Marple, auch ihre Kochkünste hatten sich glücklicherweise wieder auf Normalniveau eingependelt. Die Fleischklößchen waren exakt so kross und doch luftig, wie der Fickel sie am liebsten mochte. Vielleicht wollte die Schmidtkonz den Fickel auch ein bisschen bestechen, damit er sie am Nachmittag nach Untermaßfeld mitnahm. Denn am Sonntagnachmittag haben schließlich weltweit alle Gefangenen Besuchszeit, selbst im schäbigsten Knast von ganz Thüringen.
Natürlich packte die Frau Schmidtkonz für ihren Enkel auch ein paar von den leckeren Fleischklößchen sowie ein großes Stück Russischen Zupfkuchen ein, bei dessen Anblick den Wärtern in der Schleuse das Wasser im Maul zusammenlief. Wenn jetzt nicht zufällig ein Anwalt dabei gewesen wäre, hätten die den Kuchen glatt konfisziert und sich selbst die Wänste damit vollgeschlagen.
Doch der René hatte leider überhaupt kein Auge für die Leckereien, die die Frau Schmidtkonz für ihn angeschleppt hatte. Überraschenderweise hatte er nämlich bereits Besuch. Der Fickel fand es immerhin erstaunlich, dass die Nadin so schnell einen Besuchsschein bekommen hatte. Aber das sollte sich schneller aufklären als gedacht. René platzte nämlich gleich triumphierend mit der frohen Neuigkeit heraus: »Nadin und ich haben uns ausgesprochen!«
Nadin sah zwar ein bisschen blass um die Nasenspitze aus, aber sie bestätigte seine Worte mit einem tapferen Lächeln und ergänzte: »Wir sind jetzt verlobt!«
Da fühlte sich der Fickel plötzlich in so ein KlassefrauenDrama versetzt, wie es zum Beispiel die Frau vom Rainer Kummer so gerne sieht. Er guckte sich verstohlen nach allen Seiten um, aber von der Neubauer war weit und breit nichts zu sehen. Die Frau Schmidtkonz war über Nadins Liebesbeweis natürlich wahnsinnig gerührt. Sie wollte die Hand ihrer zukünftigen »Schwiegerenkelin« gar nicht mehr loslassen und fragte besorgt: »Hast du dir das auch gut überlegt, Mädchen?«
Aber Nadin ließ überhaupt keinen Zweifel an ihrer Entscheidung aufkommen und meinte, als Verlobte hätte sie gewisse Besuchserleichterungen im Gefängnis. Letztlich wunderte sich der Fickel mal wieder, wie pragmatisch und tolerant die jungen Leute heutzutage waren, zum Beispiel beim Thema »Sex mit der Ausbilderin«. So felsenfest, wie die Nadin trotz allem zu ihrem Freund stand, musste der Fickel seinen Mandanten direkt ein bisschen beneiden. Denn er gehört traditionell eher zu der Sorte Männer, denen eine Frau so was nie verzeihen würde.
Der René hatte jetzt richtig Oberwasser und wollte natürlich gleich wieder mit dem Kopf durch die Wand. Er bestand sogar darauf, »unverzüglich« einen neuen Haftprüfungstermin zu beantragen. Aber so eine
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