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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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die überall herumschnüffeln, um irgendwelche Pflegeskandale aufzudecken. Doch insgeheim notierte der Fickel, dass es in der Residenz offenbar Geheimnisse gab, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.
    Trotz der vorübergehenden Disharmonie stimmte die Chemie zwischen dem Fickel und der Ilona grundsätzlich, und er wünschte sich in dem Moment insgeheim, irgendwann – in immer weniger werdenden Jahren – als Greis auch in solche Hände zu geraten, ob mit oder ohne Zwetschgenkuchen. Auch die Seniorin Elfriede, die während der Unterhaltung teilnahmslos dabeigestanden hatte, hatte ihre Meinung über den Fickel inzwischen anscheinend revidiert.
    »Worauf warten Sie, junger Mann? Sie dürfen mich jetzt küssen!«
    Und ehe es sich der Fickel versah, hielt sie ihm ihre faltige Wange entgegen. Aber der Fickel wusste, was ein richtiger Gentleman ist: »Tut mir leid, Madame, aber ich möchte Ihre Situation nicht ausnutzen!«, erklärte er galant wie einst Cary Grant Audrey Hepburn. Und das letzte Mal, dass man den Fickel so hat rennen sehen, das war bei seinem legendären Startrekord als Anschieber im Bob Oberhof II anlässlich der Kinder- und Jugendspartakiade im Jahre 1987.
    Als er, schon ziemlich außer Atem, wieder bei seinem Wagen anlangte, standen zwei Senioren an seinem Wartburg und drückten sich an den Scheiben ihre runzligen Nasen platt. Der eine trug eine mit den wenigen verbliebenen Haaren geschickt frisierte Elvis-Tolle zur Schau, der andere ähnelte frisurmäßig sogar dem frühen Johnny Cash, allerdings mit grauer Einfärbung. Beide trugen je einen Kamm in der Gesäßtasche.
    »Den hatte ich auch mal, in grün«, freute sich das Elvis-Double.
    »So was wird ja heute gar nicht mehr gebaut«, fügte Johnny Cash hinzu.
    Die beiden blickten wehmütig auf die Armaturen. Weil der Fickel ein richtiger Kumpel sein kann, lud er die beiden kurzerhand zu einer kleinen Spritztour ein. Und da konnte man mal sehen, was so ein bisschen Abwechslung für eine belebende Wirkung hat! Die beiden Senioren wirkten mit einem Male verjüngt, fast wie zwei kleine Jungs, die zum ersten Mal auf dem Schoß des Vaters das Lenkrad halten dürfen. Allerdings bekamen sie schon bei fünfzig Stundenkilometern einen Geschwindigkeitsrausch, doch der Fickel ließ es sich nicht nehmen, an einer breiten Stelle der Straße plötzlich bei vollem Tempo die Handbremse anzuziehen und das Lenkrad rumzureißen. Der Wagen schlingerte, brach hinten aus und machte eine Hundertachtziggradwendung. Die Reifen quietschten, und die Alten heulten vor Freude.
    Jetzt war der Moment günstig, den beiden Passagieren mal auf den Zahn zu fühlen, was sie so über die Interna der Residenz zu erzählen wussten. Aber keinem von beiden war der Name Kminikowski ein Begriff, und einen Richter hatten sie in ihrem Heim noch nie gesehen, geschweige denn eine Richterin. An einen Minirock, wie ihn die Kminikowski bevorzugt trug, hätten sie sich hundertprozentig erinnert, Demenz hin oder her! Was die Tür im Flur anging, gaben sie sich auffallend reserviert. Immerhin hörte der Fickel heraus, dass sich im obersten Stockwerk eine Art Krankenstation befand. Und das verstand sogar der Fickel: dass man in einem Altersheim über Themen wie Krankheit und Tod nicht so gern sprach.
    Der Fickel hatte »Elvis« und den »Man in Black« gerade unter den bewundernden Blicken der Seniorinnen wieder abgesetzt und sich mit großem Hallo verabschiedet, da hörte er direkt hinter seinem Rücken das unverwechselbare Knattern eines sowjetischen T34-Panzermotors. Und jetzt konnte man beobachten, wie kaltblütig ein gelernter Infanterist wie der Fickel in so einer Situation reagiert. Schließlich war er als Angehöriger einer der letzten Rekrutenjahrgänge noch in den »Genuss« der Panzerabwehrausbildung bei der Nationalen Volksarmee gekommen und wusste folglich, wie bei einem Angriff zu verfahren war: zur Seite springen, Panzerfaust hochreißen, Geschützturm anvisieren – und peng!
    Aber erstens hatte er momentan keine Panzerfaust zur Hand, und zweitens manövrierte hinter ihm statt eines khakigrünen Stahlungetüms nur ein lächerlicher babyblauer Renault-Bus, genau dasselbe Modell, mit dem der Bucklige bei der Beerdigung der Kminikowski abgeholt worden war. Den Geräuschpegel eines T34-Panzers verdankte das Fahrzeug vermutlich einem Loch in der Auspuffanlage. Kein Wunder, bei dem Straßenzustand! Der Fickel erkannte die beiden Pfleger auf den ersten Blick wieder. Blieb nur die Frage:

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