Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Bauchlandung wie beim letzten Termin wollte der Fickel nicht noch mal erleben, und solange die Nadin nicht bereit war, dem René ein Alibi zu geben, musste dieser eben noch auf weiterführende Liebkosungen verzichten.
Aber da kriegte der René einen seiner ansatzlosen Wutausbrüche und fing zu schimpfen an, dass der Fickel als Anwalt ein Totalausfall sei, und überhaupt, womit er so einen Winkeladvokaten wie ihn verdient habe! Dem Fickel gingen diese Beschimpfungen selbstredend genau da vorbei, wo er im Moment draufsaß. Ursprünglich war es ja auch nicht mal seine Idee gewesen, die Verteidigung in dem Fall zu übernehmen. Irgendwo konnte er ganz gut auf den Job verzichten, zumal er sich gerade erst das ganze Wochenende wegen dieser Geschichte versaut hatte! Um ein Haar hätte er tatsächlich sein Mandat niedergelegt, wenn die beiden anwesenden Frauen nicht vermittelnd eingegriffen hätten. Denn eins war natürlich Fakt: Unschuldig im Gefängnis zu sitzen, dazu noch in Untermaßfeld, war keine Kleinigkeit. Da konnte selbst ein Prädikatsjurist wie der René mal ein dünnes Nervenkostüm bekommen.
Immerhin stellte die Nadin als frisch Verlobte jetzt in Aussicht, sich die Sache mit dem Alibi noch mal durch den Kopf gehen zu lassen, Meineid hin oder her. Aber der René wollte sie keinesfalls »in irgendwas reinziehen«. Und da hat es beim Fickel mal wieder gehakt. Wie konnte man als junger Mensch nur derart verblendet sein?
Wenigstens konnte ihm der René jetzt in der Frage weiterhelfen, was die Richterin Kminikowski aller Wahrscheinlichkeit nach in dem Seniorenheim zu schaffen gehabt hatte. Schließlich sollte sie gemäß Geschäftsverteilungsplan von der scheidenden Amtsgerichtsdirektorin das Betreuungsdezernat übernehmen und hatte den ersten Schwung Akten von der Driesel bereits auf ihren Schreibtisch bekommen. Und in so einer Einrichtung wie der Thüringer-Wald-Residenz gab es, wie man sich lebhaft vorstellen kann, sicherlich auch den einen oder anderen Betreuungsfall.
Jetzt stand der Fickel natürlich gehörig auf dem Schlauch, rein fachlich gesehen, und da nutzte er die Gelegenheit, dass ein Fachmann anwesend war, um sich zu erkundigen, was man als Richterin im Betreuungsdezernat denn eigentlich genau zu tun hatte. Das war natürlich eine Steilvorlage für den René, der keine Gelegenheit zu glänzen ausließ und sofort zu dozieren anfing, als befände er sich nicht im Besuchsraum der JVA Untermaßfeld, sondern im Hörsaal einer Universität: »Im Gesetz ist klar geregelt, dass … Moment!«, setzte er an und rieb sich die Stirn, als müsste er sich höllisch konzentrieren. Doch dann sprudelte das Wissen nur so aus ihm heraus wie aus einer Hochdruckleitung: »Wenn jemand aufgrund seines Alters oder aus sonstigen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine Geschäfte selbst zu erledigen, wird vom Betreuungsgericht ein Betreuer bestellt.«
»Und wenn derjenige gar nicht mehr in der Lage ist, noch eigene Wünsche zu äußern?«, fragte der Fickel in Erinnerung an gewisse Begegnungen in der Thüringer-Wald-Residenz.
Der René zuckte mit den Achseln und meinte, dann müsste wohl ein medizinisches Gutachten eingeholt werden. Jetzt schaltete sich die Nadin ein und wollte wissen, wer eigentlich im Normalfall den Betreuerjob übernehme.
»Meistens die nächsten Angehörigen. Aber zur Not gibt’s dafür auch Profis. Das kann eigentlich jeder machen.«
Der Fickel war jetzt hellwach und erkundigte sich, ob man von »so was« leben könne. Der René machte eine Geste, die bedeuten sollte, dass er als zukünftiger Spitzenanwalt die Verdienstmöglichkeiten als nicht nennenswert einstufte: »Höchstens dreitausend Euro.«
»Im Monat?«
»Im Jahr!«
Als Nächstes wollte der Fickel wissen, ob auch eine juristische Person [ 31 ], zum Beispiel ein Verein, zum Betreuer bestellt werden könne. Natürlich dachte er dabei an »Nachbarn in Meiningen« e. V.
»Grundsätzlich schon«, antwortete der René. »Zum Beispiel sogenannte Betreuungsvereine.«
»Ist ja praktisch«, meinte der Fickel. »Die können dann auch gleich die Pflege übernehmen.« Der René schüttelte herablassend den Kopf: »Das geht selbstverständlich nicht.« Der Fickel hätte schon wieder reinhauen können, aber als Anwalt darf man leider seinen Mandanten nicht verprügeln. Zum Glück für den Fickel war es die Nadin, die zur Abwechslung dumm nachfragte: »Und warum nicht?«
Der René atmete angesichts der ihn umgebenden Inkompetenz kurz genervt durch,
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