Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
bevor er antwortete: »Weil der Gesetzgeber eine Interessenkollision zwischen dem Betreuer und dem Pflegeanbieter vermeiden will, ist doch ganz einfach.«
»Ah ja«, machte der Fickel. Aber Renés Verlobte hatte den Zusammenhang immer noch nicht ganz verstanden, schließlich war sie ja nicht umsonst durchs Examen gefallen, und darum erklärte der René das Ganze noch mal idiotensicher: »Mal angenommen, ich würde ein Pflegeheim unterhalten und wäre zugleich der Betreuer der Insassen und würde über ihr Geld verfügen. Dann könnte ich meine Leistungen ja abrechnen, wie’s mir gerade passt.«
Sogar die Frau Schmidtkonz hatte es jetzt kapiert: »Das sind ja schöne Abzockermethoden!« Und da sieht man mal wieder: Jura ist eigentlich ganz einfach, wenn man es vernünftig erklärt bekommt. Aber die Mühe macht sich ein durchschnittlich serviceorientierter Nullachtfünfzehn-Anwalt eben nicht.
Dem Fickel brannte nun noch eine weitere Frage unter den Nägeln, nämlich wie der Fall eigentlich bei Ehepaaren gelagert war. Konnte nicht beispielsweise der Mann als Betreuer auftreten und die Frau als Heimleiterin?
René schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen! Das Gesetz verlangt eindeutig, dass der Betreuer und der Dienstleister nicht in enger Beziehung zueinander stehen. Aber Ehepaare bilden ja faktisch eine Wirtschaftsgemeinschaft.«
»Und Geschiedene?«
Jetzt wollte es der Fickel aber ganz genau wissen, und das hatte sicherlich nichts mit seinen persönlichen Gefühlen gegen seinen ehemaligen Staatsbürgerkundelehrer zu tun. Denn natürlich dachte der Fickel bei seiner Frage an den Exner und die Heike Dietz: er der Vorstand von »Nachbarn in Meiningen« e. V. und sie die Chefin der Thüringer-Wald Residenz. Aber da wusste sogar der René nicht mehr weiter und setzte ein nachdenkliches Gesicht auf. »Das ist sicher ein Grenzfall«, resümierte er nach längerem Nachdenken.
Den Satz hätte der Fickel sofort unterschrieben. Denn wie er aus eigenem leidvollem Erleben jederzeit bestätigen konnte, ließ sich »Exfrau« in keiner Weise unter den Begriff »nahestehende Person« subsumieren. Und deshalb bewegten sich die geschiedenen Exners mit ihrem »Jobsharing« immer noch auf dem Boden des positiven Rechts. Jedenfalls, wie der René anfügte, solange das Vermögen der Heimbewohner nicht zweckentfremdet wurde, und da konnte im Grunde nichts anbrennen, weil die Betreuungsbehörde die Konten ihrer Schützlinge streng überwachte.
Die Besuchszeit ging langsam ihrem Ende entgegen, und deshalb waren die Frau Schmidtkonz und der Fickel zartfühlend genug, die beiden jungen Verlobten noch ein paar Minuten allein zu lassen, wobei »allein« natürlich relativ zu sehen ist, wenn ein Wärter in der Ecke sitzt und nur darauf wartet, dass die zwei Verknallten heißblütig übereinander herfallen.
Auf der Rückfahrt beriet sich der Fickel mit seiner kriminalistisch gebildeten Vermieterin, und beide waren sich einig: Das Betreuungsmodell, das der ehemalige Staatsbürgerkundelehrer mit seiner Exfrau und dem Landrat aufgezogen hatte, stank gewaltig zum Himmel. Und wenn die Richterin Kminikowski irgendeiner Mauschelei in dem Zusammenhang auf der Spur gewesen war, konnte man natürlich auf gewisse Ideen kommen. Zu dumm, dass man dem Exner nicht einfach so auf die Finger gucken konnte! Am liebsten hätte der Fickel in diesem dubiosen Seniorenheim mal Mäuschen gespielt.
An dem Punkt wurde die Frau Schmidtkonz plötzlich sehr nachdenklich. Und dann machte sie von sich aus den Vorschlag, sie könne sich doch in der Thüringer-Wald-Residenz einschleusen und »undercover« nach dem Rechten sehen. Dabei konnte sich der Fickel noch genau erinnern, dass sie bei früherer Gelegenheit gesagt hatte, dass sie keine zehn Pferde in so ein Heim brächten, denn: »Wenn man da erst mal drin ist, dann kommt man nur in der Waagerechten wieder raus!«
Doch wie jede echte Großmutter wäre sie für das Wohl ihres Enkels zu allem bereit gewesen, ob Mount-Everest-Besteigung oder Selbstmordattentat – sogar in einem Seniorenheim Miss Marple zu spielen, wenn es denn sein musste! Aber der Fickel schlug das Hilfsangebot der alten Dame selbstverständlich aus. Erstens: viel zu gefährlich, und zweitens: Wer sollte denn dann für das leibliche Wohl des Verteidigers sorgen?
In der Zwischenzeit hatte die Gundelwein bereits fleißig daran gearbeitet, den René Schmidtkonz für den Rest seines Lebens hinter Schloss und Riegel zu bringen. Noch am Samstag, gleich
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