Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Zukunft als Leiterin der Abteilung 3 des Justizministeriums in Erfurt zu träumen, an der Seite des designierten Justizstaatssekretärs Kminikowski, mit dem sie nach Feierabend in einem modernen Überlaufbecken mit Wasser wie Seide um die Wette schwamm.
Während seine Exfrau auf der herrlichen Terrasse an der Berliner Straße die purpurne Abendsonne genoss und in rosigen Zukunftsplänen schwelgte, befand sich der Fickel just gegenüber auf der schattigen Seite des Meininger Talkessels, auf dem Herrenberg, genauer gesagt: in der Goetzhöhlenbaude. Dort hatte er mit dem Rainer Kummer Zuflucht gesucht, bei dem zu Hause am Sonntagabend bekanntlich immer diese Filme im Fernsehen liefen, die die Claudia so gerne sah. Mit Klassefrauen und Klassemännern, also absolut realitätsfern. Der Höhlen-Micha bringt deshalb immer den Tatort , und das sorgt dafür, dass sich zum Wochenendausklang stets eine knappes Dutzend vom heimischen Fernseher vertriebener Männer einstellt, das auch Meininger Schlosspils und Nordhäuser Doppelkorn nicht verachtet.
Neben dem Amthor, dessen vierundachtzigjährige Mutter auch lieber ZDF guckte, hatte sich zur allgemeinen Verwunderung sogar die Amtsgerichtsdirektorin Driesel zur heutigen Krimi-Runde eingefunden sowie der Kriminalrat Recknagel, der als echter Mord-Kommissar natürlich den Ehrenplatz in der Mitte bekam. Die anwesenden Fachleute mussten versprechen, nicht ständig in den Film reinzuquatschen, denn Tatort ist natürlich von vorn bis hinten totaler Schwachsinn, realistisch betrachtet, aber gerade deshalb wahrscheinlich so wahnsinnig spannend. Und auch psychologisch gesehen ein Qualitätsprogramm.
Der Fickel bestellte sich noch bei der Tagesschau eine Riesenwiener mit Kartoffelsalat, und da wunderte er sich schon, woher der Amthor so schwarze Fingernägel hatte. Aber der Höhlen-Micha klärte ihn zwinkernd auf, dass der Amthor der Driesel heute den ganzen Tag beim Pflanzen der Setzlinge geholfen hatte. Im Grunde ein Subotnik [ 33 ] unter Weinfreunden, weil die Amtsgerichtsdirektorin ja einen empfindlichen Rücken hatte, gewissermaßen eine Berufskrankheit. Immerhin hatte die Driesel dem Amthor angeblich zehn Flaschen vom ersten großen Jahrgang »Meininger Spätlese« versprochen. Jedenfalls, wenn er den noch erleben sollte.
Der Fickel wunderte sich nur, dass sich der Amthor plötzlich so von der hilfsbereiten Seite präsentierte, denn die sah ihm eigentlich überhaupt nicht ähnlich. Aber dann dachte er nicht weiter drüber nach, weil er sich darauf konzentrieren musste, der verworrenen Handlung des Krimis zu folgen. Wobei er immer wieder aus dem Konzept kam, denn diese Botoxkommissarin erinnerte ihn fatal an seine Exfrau, jedenfalls, wenn man sie sich etwas größer und etwas rothaariger vorstellte.
Trotz seines Versprechens konnte der Kriminalrat natürlich nicht das Wasser halten und kritisierte ständig an der Handlung rum und erklärte lang und breit, warum bei der Zeugenbefragung durch die sympathische, aber leider total inkompetente Kommissarin »zwingend« ein Beweisverwertungsverbot einträte. So fachsimpelte der Kriminalrat, obgleich »nur« Polizist im höheren Dienst, übers Strafprozessrecht, dass der Driesel zum Beispiel nur so die Ohren schlackerten. Und dem Fickel sowieso.
Man musste aber kein Detektiv sein, um spätestens nach zehn Minuten des aktuellen Tatorts gecheckt zu haben, dass da ein ziemlich trotteliger Sachbearbeiter in einer Behörde seine Kollegin umgebracht hatte, weil die bei der nächsten Beförderung wegen der Frauenquote todsicher bevorzugt worden wäre. Nun ja. Auch wenn der Fickel sich gerade noch mit aller Fantasie vorstellen konnte, eine Frau zu ermorden, zumindest, wenn man mit ihr verheiratet war, so kam es ihm doch komplett absurd vor, solch eine Tat aus purem Ehrgeiz zu begehen.
Aber manchmal ist ja sogar so ein total konstruierter Fernsehkrimi für irgendwas gut. Der Fickel fühlte sich bei dem armen Loser in dem Krimiplot nämlich irgendwo an den Hager erinnert und fragte die Driesel, ob der fränkische Familienvater denn nun trotz seines Malheurs beim Eildienst zum Richter auf Lebenszeit ernannt werden würde. Die Amtsgerichtsdirektorin wollte im Tatort den Anschluss nicht verlieren und war darob nicht ganz bei der Sache. Aber soweit sie informiert war, hatte der neue designierte Amtsgerichtsdirektor Leonhard schon grünes Licht gegeben, weil durch den Tod der Kminikowski natürlich eine Planrichterstelle frei geworden war. In so einem
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