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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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stutzig gemacht hat?« Sie legte den Kopf ein wenig schief. »Und das ist vielleicht ein Ansatzpunkt für Ihre Recherche. Ich habe mich über den Betrag gewundert. 220 000 Euro? Ungewöhnlich, oder? 20 000, 100 000, 200 000, okay, aber 220 000 Euro finde ich komisch. Umso mehr, weil wir das Geld tatsächlich haben. Nicht exakt diese Summe, aber die Größenordnung passt. Sie entspricht ziemlich genau dem Eigenkapitalanteil, den wir für die Fremdfinanzierung benötigen und den wir vor einer Weile so angelegt haben, dass wir kurzfristig über ihn verfügen könnten.«
    Er nickte nachdenklich und starrte dabei auf seine Schuhe. Ein Fahrradfahrer näherte sich ihnen. Um auszuweichen, trat Jeanette ein Stück an Gregor heran. »Ihnen ist aber klar, dass das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist? Frau Hammer und ich sind momentan noch völlig ratlos, was wir tun sollen.« Sie sah ihn auf eine Weise an, dass Gregors Herz kräftig zu schlagen anfing und ihm ein leichter Schauer über den Rücken lief.
    »Ja, das verstehe ich«, sagte er nachdenklich. »Ich würde das nur trotzdem gern in der Redaktion besprechen.«
    »Bitte warten Sie noch den heutigen Tag ab!«
    Gregor sah sie prüfend an. »Okay!«
    »Danke!« Sie knuffte ihn wieder mit dem Arm in die Seite, »wollen wir jetzt eigentlich noch joggen?« Mit dem Kopf zeigte sie zur anderen Straßenseite. »Die Petrikirche ist ja schön, aber eigentlich wollte ich noch bis zum Fähranleger und dann zurück.« Ein Hüsteln entwich Gregors Hals, als hätte er sich verschluckt. »Ich glaube, ich tausche meine Bermudas wieder gegen meine Journalistenhose, sonst bringe ich noch eine Radfahrerin auf ihrem Weg zur Arbeit um den Verstand.« Zur Antwort zeigte sie ein so unwiderstehliches Lächeln, dass Gregor seinen vorzeitigen Abschied schon bereute. Dann machten beide eine Bewegung, die Winken, Hand reichen und vertrautes Umarmen jeweils andeutete und für einen Moment sowohl ihn als auch sie peinlich berührte. Er schaltete schneller und überspielte die Situation, indem er fragte: »Woher wissen Sie das eigentlich mit dem Hundertjährigen Kalender? Glauben Sie an Astrologie?«
    »Ich? Nein. Ich glaube, … wir könnten uns eigentlich duzen, oder? Ich bin Jeanette.« Strahlend reichte sie ihm die Hand. Er schlug ein, derweil sie fortfuhr: »Meine Großeltern väterlicherseits waren Landarbeiter, deshalb musste mein Vater als Kind noch auf dem Feld rackern. Und wenn du mir eines glauben kannst, mit Bauernregeln kenn ich mich aus.« Sie warf einen prüfenden Blick hoch zur Kirchturmspitze. »Um 14 Uhr regnet es.«
    Unwillkürlich schaute er gen Himmel, dann lachte er und nannte seinen Namen. »Gregor«, sagte sie halb fragend und musterte ihn, als wollte sie die Richtigkeit seiner Angabe kontrollieren. »Freut mich. Ich denke, wir sehen uns.« Mit diesen Worten kehrte sie ihm den Rücken und setzte ihren Lauf fort.

Schutz

    Das Gefühl war weg. Evelyn fühlte sich noch immer zu Roberto hingezogen. Aber die Lust war verflogen, aufgeflattert wie ein Schwarm Spatzen. Ihre Liebesakte hatten etwas von rhythmischer Sportgymnastik, mechanische Pflichterfüllung mit stärker werdendem Schuldgefühl. Plötzlich hatte sich alles gedreht, was sie früher an Roberto gemocht hatte, das ärgerte sie jetzt fast. Und er bekam nicht einmal etwas davon mit.
    Evelyn hatte das Gefühl, sie müsse grob sein zu Roberto. Sie stieg aus dem Bett.
    »Lieg hier nicht rum, steh auf«, herrschte sie ihn an.
    Roberto setzte sich erschrocken auf. »Evelyn, was ist denn jetzt los?«
    »Zieh dich an, wir müssen zur Arbeit.«
    »Du bist ungerecht.« Roberto ließ sich ins Kissen fallen und verschränkte die Arme. »Alle Jubeljahre lockst du mich in deinen Bau, und wenn du mich nicht mehr brauchst, schmeißt du mich aus dem Nest«, schimpfte er. »Und ich Idiot mach das jedes Mal wieder mit.«
    Evelyn betrachtete ihn. Er hatte Recht. Sie beutete Roberto schamlos aus. Wenn sie Verlangen nach ihm hatte, holte sie ihn zu sich. Ansonsten herrschte Funkstille. Dass sie ihn diesmal allein aus Angst zu sich geholt hatte, brauchte er nicht zu wissen. Als sie ihn jetzt da liegen sah, diesen durchtrainierten, gut aussehenden Kerl von gerade mal 40 Jahren, verrauchte ihr Ärger. Viel zu gut sah er aus. Zu gut für mich, dachte Evelyn. Und viel zu jung.
    »Komm mit unter die Dusche«, sagte sie versöhnlich. Er folgte ihr ins Bad.

    »Was erzählst du deiner Frau?«, fragte Evelyn, als sie mit Roberto am

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