Herrgottschrofen
Laute.
Das Paar ließ sich davon nicht beeindrucken. Hartinger klingelte an der Tür des John’s und starrte durch die kleine verspiegelte Scheibe, durch die von drinnen der Türsteher die Ankömmlinge musterte. Sofort wurde die Pforte geöffnet, und ein Hundertfünfzig-Kilo-Mann grinste übers ganze Gesicht.
»Gonzo, seltener Gast!«, freute sich Klaus Suldinger, ehemaliger Eishockeyspieler, später berüchtigter Ausräumer von Ferienwohnungen und Hotelzimmern im Tal. Aus diesem Grund hatte er einige Zeit im Knast verbracht, war inzwischen aber offenbar am Höhepunkt seiner Karriere angelangt, nämlich als Türsteher im John’s Club.
Klaus Suldinger war der jüngere Bruder von Tomboy Suldinger. Der Brechtl hatte offenbar die ganze Familie in die Schar seiner Lakaien aufgenommen. Entsprechend reserviert quittierte Hartinger die Begeisterung, mit der er empfangen wurde.
Der Empfangschef setzte nach: »Ah, und du bringst dem Toni seine Svetlana vorbei. Das ist aber nett von dir. Servus, Svetlana!«
»Isser da?«, wollte Hartinger wissen und bemühte sich, die Frage möglichst beiläufig klingen zu lassen.
»Naa, unterwegs. Wahrscheinlich Jagd«, antwortete Klaus Suldinger. Dann beugte er sich zu Hartingers Ohr und flüsterte: »Der kommt frühestens um sechs in der Früh und kratzt sein Lieblingsstück von der Tanzfläche.«
Eben dieses »Lieblingsstück« machte sich derweil am Zigarettenautomaten zu schaffen, der zwischen Tür und Garderobe stand und an gute Kneipenzeiten erinnerte, als man im John’s die Luft mit der Flex schneiden musste.
»Bis dahin bin ich eh wieder weg«, behauptete der Hartinger. »Wir haben nur was Geschäftliches zu regeln.«
»Eh klar, Gonzo.« Der bullige Türsteher mimte den Gastro-Profi, der nie im Leben eine Silbe über das Wer-mit-wem verlieren würde.
Nachdem nun praktisch der halbe Ort wusste, dass der Hartinger Gonzo die Svetlana datete, war es eh wurscht. Sie verließen den engen Vorraum und betraten die untere Bar, wo sie sich an einem der ovalen Tische niederließen. Von hier konnten sie durch die Fenster hinaus auf den Parkplatz sehen und hatten auch den halben Laden im Blick. Natürlich saßen aber auch sie für jeden Besucher dieses noch frühen Donnerstagabends wie auf dem Präsentierteller. Wenigstens gab es keine Mottoparty. Man konnte sich also einigermaßen gepflegt unterhalten. Während eines der von Promoteams organisierten Jägermeister-Abende oder des einmal im Quartal ausgerufenen »Club 65«, bei dem man nicht wusste, ob mit der Zahl der Jahrgang oder das Durchschnittsalter der Besucher gemeint war, tobte der Bär im John’s Club. Da wäre keine vertraute Konversation möglich gewesen, wie sie Hartinger eigentlich suchte.
»Also, Svetlana, jetzt erzähl mal vom Modeln in Weißrussland«, kam er gleich zur Sache.
»Hab ich viele große Alben mit Bildern. Zu Hause. Willst du sehen?«
»Später vielleicht. Also, ich meine … gern. Morgen. Am Tag.«
»Gonzo, bist bissl schüchtern?«
»Manchmal.« Hartinger blickte sich nervös um, während Svetlana ihr Smartphone aus der paillettenbestickten Handtasche fingerte und ihm dann eng auf die Pelle rückte, um ihm die gespeicherten Bilder zu zeigen.
»Schau, Gonzo. Das bin ich.«
Hartinger musste nicht lange hinschauen. Auf den Bildern ging es nicht um die Präsentation von Kleidung. »Sehr schön, Svetlana. Künstlerisch anspruchsvoll, keine Frage.«
»Gut, ist zehn Jahre her. Oder zwölf. Meinst, dass ich immer noch genommen werde für BILD?« Svetlana fischte mit dem großen Kescher nach Komplimenten und reckte ihren immer noch ansehnlichen Körper im Schein der Kerzen und der Discokugel.
»Logo, Svetlana. Hammer-Figur hast du. Ich muss halt ein paar Probeaufnahmen machen. Und natürlich bekommt der Mann in Berlin jeden Tag Hunderte von Bewerbungen. Da muss ich schon ein gutes Wort einlegen. Aber das kann ich ja mit gutem Gewissen tun. Zeig noch mal das Handy her …«
»Würdest du machen, Gonzo?« Svetlana klimperte mit den falschen Wimpern.
»Eh klar. Sag mal, was anderes. Du und der Bagger-Toni … ist das was Festes?«
»Fest? Bei mir schon alles fest! Aber beim Toni?« Svetlana schlug sich erneut vor Lachen auf den schlangenlederumstülpten Oberschenkel.
»So genau will ich’s nicht wissen. Ich meine, du weißt doch, was der macht, der Bagger-Toni, oder?«
»Tag oder Nacht?« Svetlana bekam sich gar nicht mehr ein.
»Geschäftlich, mein ich.«
»Aber weiß doch jeder im Tal, Gonzo.
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