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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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gewohnt haben? In einer Zweier-Männer-WG?«
    Dem Redaktionsleiter blieb die Spucke weg. »Äh, wie … Was soll das bedeuten?«
    »Ja, sehen Sie, Herr Habersetzer – nichts, rein gar nichts. Die Leute reden eben. Da ist jemand nicht verheiratet, hat keine Freundin, und zack – hat er seinen Ruf weg. Also bitte. Lassen Sie den Brechtl Toni aus dem Spiel. Ich verbürge mich, dass er weder mit dem Tod der Weißrussin noch mit ihrem Sturz vom Felsen nicht das Geringste nicht zu tun hat.«
    Habersetzer schwieg. Der Bürgermeister war zufrieden. Er hörte den Bleistift des Redaktionsleiters eifrig über den Notizblock kratzen.
    Als Hartinger gegen zehn Uhr die Aufträge dieses Donnerstags in der Redaktion abholen wollte, hingen keine Terminzettel in seiner Spalte auf der Pinnwand. Alle Jobs prangten unter dem Namen Meerbusch. Im Raum lastete ein ungemütliches Schweigen, wie Hartinger nun bemerkte. Erst glaubte er, die Kolleginnen und Kollegen würden so konzentriert an ihren PCs arbeiten. Doch dann fiel ihm auf, dass auch keine Tipp- und Klickgeräusche zu hören waren.
    Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Hatte er den Hosenstall offen und trug keine Unterhose? Nein, es hing nichts aus seiner Jeans. Er schaute in die Runde. Sie glotzten ihn an. Dann sah er im hinteren Eck, wo die archivierten Ausgaben der letzen Wochen auf große Bretter mit Leitzordnermechaniken geheftet waren, den Kollegen Meerbusch, der auffällig konzentriert in eine alte Zeitung vertieft war.
    Quer durch den Raum rief ihm Hartinger zu: »Du, Volker! Was geht da ab? Wir wollten doch nur bis gestern tauschen. Heute wird wieder geteilt.«
    Der Kollege schaute nicht auf. Er wartete drei provozierende Sekunden lang und sagte dann mit seinem österreichischen Spracheinschlag ein wenig zu lässig: »Bist ganz sicher, Gonzo?«
    »Schon.«
    »Warst heut auch schon beim Habersetzer?«
    »Was soll ich da?«
    »Na, vielleicht schaust mal rauf in sein Büro. Und dann verteilen wir die Termine, okay?«
    Hartinger passte es gar nicht, dass der bräsige Meerbusch ihm sagte, was er zu tun hatte. Doch dann schaute er noch einmal seine immer noch glotzenden Kollegen an, schüttelte den Kopf und stieg die Treppe hinauf.
    Er ahnte natürlich bereits beim Betreten von Habersetzers Büro, dass seine Tätigkeit als investigativer Lokaljournalist ein Ende gefunden hatte. Ein böses Ende.
    »Herr Hartinger, es tut mir leid«, begann Habersetzer ohne Ansatz. Mehr musste er auch gar nicht sagen.
    »Alles klar, Herr Habersetzer. Politik.«
    »Es tut mir wirklich leid.« Mehr fiel Habersetzer offenbar nicht ein.
    »Dann werde ich auf eigene Faust weitermachen«, kündigte Hartinger trotzig an.
    »Tun Sie sich keinen Zwang an. Einen Presseausweis haben Sie ja. Wenn Sie jemanden finden, der Ihre Bilder druckt und Sie dafür bezahlt, ist doch alles wunderbar.«
    »Für mich schon.«
    »Sicher. Und wenn Sie mich jetzt bitte allein lassen würden. Ich erwarte einen Anruf.« Der Chefredakteur tippte auf dem Telefon herum, als ob er damit den Anruf aus der Leitung kitzeln und das unangenehme Gespräch beenden könnte.
    Hartinger wollte seinen frischgebackenen Exchef noch ein wenig leiden sehen. »Ah. Sicher München. Die Verlagsleitung. Oder das Rathaus Garmisch. Mit neuen Anweisungen.«
    »Herr Hartinger, es tut mir wirklich aufrichtig leid.«
    »Ist schon gut. Wir sehen uns, Herr Habersetzer.«
    Hartinger kehrte ins Großraumbüro zurück, nahm seine Tasche vom Katzentisch und verschwand grußlos aus der Redaktion.
    Er war ihnen nicht einmal böse. Habersetzer nicht und auch den Kollegen nicht. Und was Meerbusch anbelangte, der war eh eine Strafe für die anderen, am meisten aber für sich selbst.
    Karl-Heinz Hartinger stand nun arbeitslos auf den Straßen Garmisch-Partenkirchens. Die Karriere als Mädchenfotograf war noch nicht so richtig in Schwung gekommen, wie er sich selbst gegenüber zugeben musste. Denn das erste Model war verstorben, bevor er es hatte ablichten können. Das hatte er natürlich schon noch getan, bevor die wieder einmal von ihm alarmierte Polizei ihn mitgenommen hatte. Kurz spielte er mit dem Gedanken, die – in der Tat krassen – Fotos von der auf sein Stativ gespießten nackten Svetlana über seinen Kontakt an die BILD zu verkaufen. Die würden sie nehmen. Und gut dafür bezahlen. Für ein paar Wochen würde das Geld reichen. Die ausstehende Miete des Dachzimmers über dem Anbau der Witwe Schnitzenbaumer würde er damit begleichen können.
    Aber das

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