Herrgottschrofen
sicherere Anlage gibt’s da gar nicht als einen Immersportort. Weil: Immer Sport, immer Touristen, immer Geld!«
»Immersportort … Wahnsinn, Veit. Sehr gutes Wort. Unabhängigkeit vom Klima. Sehr stark.«
»Und immer nachhaltig und natürlich.«
»Eh klar.«
»Und jetzt rat mal, wer da draufgekommen ist, auf Immersportort.«
»Du wahrscheinlich, Veit.«
»Ausnahmsweise nicht. Stell dir vor, der Hartinger.«
Bürgermeister Meier verschüttete den Kaffee, den er sich gerade aus der Thermoskanne hatte einschenken wollen, über den ganzen Tisch. Gruber konnte gerade noch seinen Laptop in die Luft reißen. »Der wer? «
»Der Hartinger Gonzo. Ich hab ihn engagiert. Er ist für mich unterwegs und holt die Jo Saunders aus Amiland. Die machen wir nämlich zur Galionsfigur.«
»Der … Hartinger … für … dich … in Amiland …« Der Bürgermeister wurde blass.
»Ja mei, Hansi, ich weiß, dass der Kerl ein Schmerz im Hintern ist. Aber ich hab mir gedacht, binden wir ihn dieses Mal mit ein, dann macht er keinen Ärger.«
»Da kannst du recht haben, Veit. Dein neuer Mitarbeiter macht bestimmt keinen Ärger. Der sitzt nämlich seit gestern Abend in U-Haft. Noch keine Nachrichten gelesen?«
In der Tat schlug Karl-Heinz Hartingers Verhaftung hohe Wellen in den Online-Medien der Republik. Auf den Nachrichtenportalen und in den Blogs hatte der Verdächtigte schnell seinen Namen weg. Zum »Petruskreuz-Mörder« war Hartinger innerhalb weniger Stunden avanciert. Offenbar hatten Münchner Ermittlungsbehörden die Umstände von Svetlana Ryschankawas Tod einigen Berichterstattern zugeflüstert. Die Tatsache, dass das Opfer wohl durch Überkopfhängen gestorben war, nach den seitlich ausgestreckten Armen zu schließen, vielleicht an einem Kreuz, legte den Schluss nahe, dass die Hinrichtungsmethode, die der Apostel Petrus für sich ausgesucht hatte, auch bei der weißrussischen Gaststättenpächterin Anwendung gefunden hatte.
Von dieser Spekulation ausgehend, trieben es die Verbrechenskommentatoren im Internet immer weiter. Die alten Artikel, die Hartinger vor einem Jahr in einem anderen Fall als »Pfaffenhasser« gebrandmarkt hatten, wurden wieder ausgegraben und mit der Überkopfkreuzigung in Verbindung gebracht. Die Verwendung des auf dem Kopf stehenden Kreuzes im Okkultismus und bei schwarzen Messen reizte die Nachrichten-Spekulanten zu gewagten Thesen. Plötzlich war nicht nur Hartinger ein perverser Satanist, sondern auch Garmisch-Partenkirchen ein Hort des Bösen.
Ein Spinner, der von Berlin aus einen Blog mit dem Namen »Die Ganze Wahrheit« betrieb, behauptete, Hitlers Alpenfestung wäre irgendwo im Wettersteingebirge errichtet, aber nie entdeckt worden. Von dort aus, so der Text, trieben die Nachfolger des Diktators ihr Unwesen. Eine Erklärung, was der Mord oder gar der mordverdächtige Hartinger mit den Nazis zu tun haben könnte, blieb der phantasiebegabte Blogger schuldig.
Ein Agenturjournalist in Hamburg zitierte die These zunächst in der Absicht, ebendieses Aufblühen des Schwachsinns im Internet zu geißeln. Doch etliche Praktikanten in den Nachrichtenredaktionen der Regionalzeitungen nahmen die Meldung für bare Münze und stellten sie verkürzt online. »Hitler-Jünger foltern schöne Russin zu Tode«, lautete eine Headline, die zwischen Teutoburger und Spreewald auf den Webseiten stand.
Diese Meldung passte natürlich ganz ausgezeichnet zum Datum. Man schrieb den 20. April. Die englische Boulevardpresse, die alle Nachrichten scannte, in denen die Worte »Nazi« und »Hitler« vorkamen, machte daraus eine Geburtstagsgeschichte für den größten Postkartenmaler aller Zeiten.
Karl-Heinz Hartinger bekam von diesen Nachrichten nichts mit. Als Untersuchungsgefangener galten für ihn mit der Ausnahme, dass er seine Privatkleidung anbehalten durfte, verschärfte Haftbedingungen. Und selbst wenn er im Regelvollzug gewesen wäre, hätte er keinen internetfähigen Computer in seiner Zelle in Stadelheim gehabt.
Doch an Hartinger im Regelvollzug wollte er nicht denken. Das Verbrechen, das ihm vorgeworfen wurde, hieß Mord. Und das einzig mögliche Urteil lebenslänglich. Und bei einer eindeutigen DNA-Spur brauchten sie nur ein paar Verhandlungstage, um zu diesem Urteil zu kommen. Ein gefundenes Fressen für einen Staatsanwalt.
Er musste also dieses Komplott aufklären, das ihn hierher gebracht hatte. Es musste eine von mächtigen dunklen Kräften eingetütete Verschwörung sein, deren Opfer er geworden
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