Herrgottschrofen
nicht unbedingt in einer so frühen Phase in seine Pläne ein. Doch dieses Projekt ging leider nicht ohne den Ersten Bürgermeister. Das Eisstadion gehörte der Marktgemeinde, das Skistadion sowieso. Und auch irgendwo anders im Tal, am Rießersee oder vielleicht auf den Wiesen zwischen Hausberg- und Kreuzeckbahn, einen Eisrevuetempel zu errichten wäre ohne das Zutun Hans Wilhelm Meiers unmöglich.
Veit Gruber hatte beinahe die ganze Nacht wach gelegen. Diese neue Chance, die sich für ihn und seinen Heimatort durch die Idee des Hartinger auftat, ließ ihn keinen Schlaf finden. Schließlich war er aufgestanden und hatte bis um zwei Uhr früh die spärlichen Informationen, die zu der alten Casa Carioca im Internet kursierten, gesucht, gefunden, ausgedruckt und sogar erste Skizzen angefertigt, wie die neue Casa Carioca aussehen sollte.
Das mit dem maurischen Stil wollte er unbedingt beibehalten. Auch da gab es ja eine Tradition. Hatte nicht der Bayernkönig, jener, der ähnlich wie der Gruber große zukunftsweisende Projekte umgesetzt hatte, von denen die Bayern noch heute touristisch zehrten, in seinem Jagdschloss am Schachen einen Maurischen Saal einrichten lassen? Das Arabische und das Bayerische, das gehörte irgendwie zusammen, dachte sich Gruber. Und wenn der ortsansässige Scheich von Al-Weyh Dabbey die riesige Eishalle, die Gruber vorschwebte, nicht finanzieren wollte, gab es ja immer noch die Chinesen. Oder den Ägypter, der Zermatt derzeit neu baute. Es würde sich schon jemand finden, das war das kleinere Problem.
Das größere Problem war die Zustimmung der Einwohnerschaft. Die unselige Olympiabewerbung hatte ja gezeigt, dass ein tiefer Riss durch Garmisch-Partenkirchens Bevölkerung ging. Die einen wollten nach vorn, in Richtung Zukunft, die anderen, dass alles so blieb, wie es war. Gruber selbst hatte den Traum von Olympia inzwischen, drei Monate vor der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, ad acta gelegt. Wer Zahlen lesen konnte, wusste, dass die Spiele nach Südkorea gehen würden. Nur der Bürgermeister und ein paar Sportverbandsfuzzis glaubten noch im Ernst daran, dass die Olympiade 2018 nach Deutschland vergeben würde. Das hatten die schon längst gründlich versemmelt.
Um gute Miene zum bösen Spiel zu machen, jubelte Gruber offiziell noch mit und ließ sich in den kleinen Textteilanzeigen, die die PrOlympiJa-Leute im Tagblatt schalteten, als Pate ablichten. Dabei ahnte er, dass gerade sein Konterfei ein paar mehr Bürger mehr dazu bewegen würde, bei der anstehenden Bürgerbefragung mit Nein zu stimmen.
Die ganze Kritik an den teuren Sportstätten, gipfelnd in der Skisprungschanze, die sich die Marktgemeinde nicht leisten konnte, wollte Gruber mit dem neuen Projekt zu seinen Gunsten drehen. Denn mit seiner »Casa Carioca reloaded«, wie er die Idee nannte, konnte er entweder das Skistadion oder das auch defizitäre Eisstadion mit einem beständigen Strom von Eisrevuegästen füllen und so zum Ergebnisbringer machen. Der Businessplan schrieb sich ja von selbst.
Bis fünf Uhr morgens hatte er in der Einsamkeit seines Arbeitszimmers auf Teufel komm raus geexcelt. Selbst bei einer mitteloptimistischen Planung konnte das Projekt gut und gern einen Umsatz von fünfzig Millionen Euro pro Jahr machen. Und eine Gewinnmarge von fünfzehn Prozent einkalkuliert, würden unterm Strich siebeneinhalb Millionen hängen bleiben. Dabei war die Miete für eines der Stadien bereits abgezogen. Die Gemeinde hätte also schon verdient. Okay, bei einem Neubau eines speziellen Casa-Carioca-Stadions müsste man noch die Finanzierung für den Bau einrechnen.
Derart vorbereitet und motiviert klopfte Veit Gruber am Morgen im Rathaus an der Bürotür des Vorzimmers und trat ein. Christina Mauereder klickte schnell die Patience auf ihrem PC weg und meldete den Besucher telefonisch bei ihrem Chef an.
»Sie möchten bitte ein paar Minuten warten, Herr Gruber, der Herr Bürgermeister hat gerade ein Gespräch. Er ist gleich für Sie da.«
Ich bin für ihn da, dachte sich der Gruber und spürte leichte Verärgerung in sich aufsteigen. Da kam er mit Plänen, welche sowohl die Zukunft des Ortes als auch die Karriere des Bürgermeisters beflügeln würden, und wurde auf die Wartebank verwiesen.
Unendliche zehn Minuten später kam der Bürgermeister aus seinem Büro. »Hast schon Mittag gegessen, Veit? Komm, wir gehen in den Murr auf eine Leberkassemmel.«
»Du, Hansi, ich hab da was ganz Aktuelles, ich
Weitere Kostenlose Bücher