Herrgottschrofen
hinzufliegen, war besser.«
»Warten wir’s ab. Auf alle Fälle geh ich jetzt zur Post und geb ein Telegramm auf. Ich schreib was Dramatischeres rein. Und dann fahr ich nach München.«
»Staatsarchiv?«, fragte Kathi.
»So was Ähnliches. Ich will diesen Kurt Weißhaupt kennenlernen. Der scheint mir so was wie ein wandelndes Auskunftsbüro zu sein über all das, was in diesem Freistaat passiert. Der kennt Gott und die Welt. Wenn uns einer helfen kann, dann der.«
Was Albert Frey seiner Nichte nicht sagte: Er wollte sich auch diese Dorothee Allgäuer mal ansehen, mit der Karl-Heinz Hartinger offenbar ein Verhältnis hatte. Natürlich hatte er die Hartinger’sche Zettelwirtschaft studiert, bevor er die Papiere in eine Kiste unter einem im Fichtenwald versteckten Hochstand eingeschlossen hatte. Das Polaroidfoto mit einem Post-it-Zettel darauf war ihm gleich ins Auge gefallen.
Albert Frey steuerte seinen lindgrünen VW-Passat behutsam durch die Münchner Rushhour. Er hasste den Stadtverkehr, der sich in den über vierzig Jahren seit seinem Lehramtsstudium in der Landeshauptstadt ins Unerträgliche multipliziert hatte. Rechts und links schossen die Autos an ihm vorbei. Sein alters- und PS-schwaches Gefährt mit dem GAP-Nummernschild, das tiefste Provinz signalisierte, stellte für die nassforschen Managertypen an den Hightech-Volants der aufgerüsteten schwarzen Kombis und für ihre schicken Sekretärinnen an den Kunstlederlenkrädern der Minis allzu häufig ein ärgerliches Hindernis dar, an dem auf möglichst rücksichtslose Weise sich vorbeizudrängen offenbar eine Frage der Großstädterehre war.
Auch die Verkehrsführung durch die Altstadt machte ihm zu schaffen. Jedes Mal, wenn er sich motorisiert in die große Stadt wagte, hatte sie sich verändert.
Endlich erreichte er den Beginn der Ludwigstraße, wo er Kurt Weißhaupt in Schumann’s Bar vermutete. So viel hatte ihm Hartinger über seinen ehemaligen Mentor und väterlichen Freund berichtet, nämlich, dass der Pensionär mindestens einmal am Tag, und das meistens ab fünf Uhr nachmittags, dort anzutreffen sei.
Damit stellte sich die nächste automobile Herausforderung, nämlich die Suche nach einem Parkplatz. Albert Frey hasste nur eine Sache mehr als Parkhäuser: illegal zu parken und womöglich einen Strafzettel dafür zu kassieren. Eher würde er Stunden damit verbringen, die Ludwig- und Leopoldstraße auf- und abzufahren, als dass er sich in eine Halteverbotszone stellte. Er bereute bereits, dass er nicht den Zug genommen hatte, aber er war sich nicht sicher gewesen, wann er die Heimreise würde antreten können. Und da Garmisch nach halb zwölf nachts mit der Bahn nicht mehr zu erreichen war, war er mit dem Auto auf Nummer sicher gegangen.
Frey hatte Glück. Er musste nur einmal bis zum Siegestor und dort wenden. Als er wieder auf die Feldherrnhalle zufuhr, wurde an der rechten Straßenseite ein Parkplatz frei. Die Lücke, die der eine dunkle Dieselwolke ausstoßende Mercedes-Geländewagen hinterließ, war mehr als komfortabel für Freys Passat. Sein Besitzer trug einen äußerst zufriedenen Gesichtsausdruck zur Schau, als er zum Parkscheinautomaten ging, wo er die Parkzeit mit ein paar Euro im Voraus bezahlte. Freys Laune ließ sich auch nicht dadurch trüben, dass eine Mitarbeiterin der städtischen Parkraumüberwachung vor seinem Auto stand, um ihm ein Knöllchen hinter den Scheibenwischer zu klemmen, als er vom Automaten zurückkam.
»Da, schauns, alles korrekt!«, rief er der blau uniformierten Frau zu. Die tippte bereits in den elektronischen Strafzetteldrucker hinein.
Wortlos nahm sie seinen Parkschein in die Hand und begutachtete ihn, bevor sie Frey das kleine Papier zurückgab. »Vierzig Euro sind fällig, der Herr. Und ein Punkt in Flensburg.«
»Was? Hier, ich bin doch nur da vor zum Automaten und hab den Parkschein geholt! So viel Zeit muss ich doch haben. Das geht doch gar nicht anders!« Frey schaute die Frau fassungslos an.
Die Parkraumbewirtschafterin verzog keine Miene. »Ich mach die Gesetze nicht. Und Ihr Parkschein ist auch nicht das Problem.«
»Was dann?«
»Was seh ma denn da vorn an der Windschutzscheibe, der Herr?« Genüsslich klopfte die Dame mit ihrem knöchernen Finger auf das untere Eck des Verbundglases.
»Ja, nichts. Da wollte ich den Schein ja gerade hinlegen.« Frey drehte sich nach rechts und links. War das hier »Versteckte Kamera«?
»Und was seh ma da auch ohne den Parkschein?«
Frey schaute
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