Herrin der Falken - 3
festzustellen, wo das Haus der Schwesternschaft außerhalb Halis liegt. Allein durch meine Anwesenheit gefährde ich die Schwestern, die in diesem Krieg keine Partei ergriffen haben. Aber ich bin verwandt mit Orain, und er mag sich einbilden, daß er Orain durch mich aufspüren kann oder daß ich mehr von Orains – und Carolins – Plänen weiß, als es wirklich der Fall ist. Ich muß diesen Ort sofort verlassen. Wenn dann Rakhals Männer unter Lyondri herkommen und mich suchen, können die Schwestern der Wahrheit gemäß antworten, und sollten sie von einer Leronis befragt werden, die ihre Gedanken lesen kann, sie wüßten nicht, wohin ich gegangen sei und wo Carolins und Orains Männer sich sammeln. Dich nehme ich mit, weil ich fürchte, Lyondri wird versuchen, auch dich in die Hände zu bekommen. Diese anderen Frauen – er weiß nichts von ihnen und interessiert sich auch nicht für sie. Du jedoch bist ihm unter die Augen gekommen, und mir kannst du gar nicht schnell genug aus seinem Wahrnehmungsbereich verschwinden… Bleib lieber nicht vor den Toren Halis. Außerdem…«, ihr Lächeln war sehr schwach, »weißt du das nicht? Eine Frau von der Schwesternschaft reist nicht allein. Sie muß von mindestens einer ihrer Schwestern begleitet werden.«
Daran hatte Romilly nicht gedacht. Jandria war Orains Verwandte, und Lyondri Hastur konnte auch sie als Geisel nehmen, selbst wenn er, im Gegensatz zu Jandrias Befürchtungen, nicht die Absicht hatte, sie zu töten. Romilly sagte förmlich: »A ves ordres, mestra«, und sattelte ihr Pferd fertig.
»Geh ins Haus und laß dir Brot und Käse geben«, befahl Jandria. »Wir können im Sattel essen. Beeile dich, kleine Schwester.«
Ist solche Hast notwendig, oder hat Jandria ohne Grund Angst? Doch Romilly tat, wie ihr geheißen. Sie kam mit einem Laib Brot und einem großen Stück groben weißen Frischkäses zurück und verstaute beides in ihren Satteltaschen. Im Augenblick hatte sie keinen Hunger, Jandrias Ausführungen hatten ihr gründlich den Appetit verdorben, aber natürlich würde sie später froh sein, Essen zu haben. Die Köchin hatte ihr auch einen Beutel Äpfel mitgegeben.
Sie zogen ihre Pferde aus dem Stall, und nun fragte Romilly doch: »Wohin geht es, Janni?«
»Ich halte es für sicherer, wenn du das vorerst nicht weißt«, antwortete Jandria, und Romilly sah nackte Furcht in ihren Augen. »Komm, kleine Schwester, reiten wir.«
Romilly stellte fest, daß sie von der Stadt aus nach Norden ritten. Kurz darauf bogen sie ab. Jandria wählte einen schmalen, wenig begangenen Weg, der kaum mehr als ein Pfad der Berg-Chervines war. Er schlängelte sich immer weiter hinauf in die Berge. Schon bald hatte Romilly völlig die Orientierung verloren. Jandria dagegen zögerte nie, als wisse sie genau, wohin sie wolle.
Dann ritten sie unter der Deckung der dicht bewaldeten Hänge dahin, und Jandria entspannte sich ein bißchen. Eine Stunde später bat sie um Brot und Käse und aß mit gutem Appetit. Romilly, auf der groben Kruste kauend, machte sich von neuem Gedanken, fragte jedoch nicht.
Schließlich stieg Jandria wieder auf, ergriff den Zügel des Packtiers und sagte: »Nicht einmal ein Kundschaftervogel kann uns hier entdecken. Ich weiß nicht, ob Lyondri solche Vögel hat – besonders häufig werden sie nicht eingesetzt –, aber ich hielt es für besser, in Deckung zu bleiben, bis unsere Fährte nicht mehr zu finden ist. Die Götter mögen verhüten, daß ich ihn geradenwegs zu Carolins Armee führe.«
»Dahin gehen wir?«
»Die Schwesternschaft hat eine Truppe dort«, berichtete Jandria, »und deine Talente könnten beim Trainieren von Pferden für die Armee gebraucht werden. Auch für mich wird sich irgendeine Verwendung finden. Lyondri wußte, daß ich mich in dem Haus der Schwesternschaft vor Hali befand, sonst hätte er mir die Botschaft nicht geschickt. Und er muß gedacht haben – oder Rakhal hat es für ihn gedacht –, das Wissen um den Versammlungsort von Carolins Armee werde er mir ohne Hilfe einer Leronis nicht entreißen können, wohingegen es leicht sei, mich beobachten zu lassen und mir zu folgen. Deshalb beeilte ich mich, aus dem Haus zu verschwinden und im Wald Deckung zu suchen, bevor er die entsprechenden Maßnahmen ergreifen konnte. Dieses eine Mal bin ich vielleicht schneller gewesen als er, und wir sind schon vor ihm sicher.«
Trotzdem blickte sie argwöhnisch zurück und noch argwöhnischer zum Himmel auf, als kreisten Lyondris
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