Herrin der Falken - 3
mit der er gesprochen hatte, Carolin gewesen?
Würde er sich über einen Besuch von ihr freuen? Oder würde es ihm nur peinlich sein? Romilly faßte den Entschluß, Jandria zu fragen, was sie darüber dachte, sobald sie wieder ins Haus der Schwesternschaft kam. Das ganze Jahr über war Jandria als Kurier zwischen Serrais und den Städten im Süden, Dalereuth und Temora, unterwegs gewesen.
Sie hätte wissen können, daß es wahrscheinlich kein Zufall ist, wenn eine Telepathin plötzlich an jemanden denken muß, den sie einige Zeit nicht gesehen hat. Am nächsten Tag hatte sie die Arbeit mit dem Rappen beendet und führte ihn in den Stall zurück. Nach einem Jahr war er vorzüglich ausgebildet und fügsam wie ein Kind, und Romilly hatte mit der Hausmutter darüber gesprochen, daß man ihn vielleicht dem König zum Geschenk machen sollte. Da sah sie Jandria in der Stalltür stehen.
»Romy! Ich war überzeugt, dich hier zu finden. Ich staune über den Rappen. Wie hat er sich gemacht seit dem Tag, als du ihm den Zaum anlegtest und wir alle glaubten, er werde dich umbringen!«
Jandria war gekleidet, als sei sie gerade von einem langen Ritt zurückgekehrt: Sie trug Staubstiefel, und eine Staubmaske, wie die Trockenländer sie auf Reisen benutzten, baumelte von ihrem Hals nieder. Romilly lief auf sie zu und umarmte sie. »Janni! Ich wußte nicht, daß du zurück bist.«
»Ich bin auch noch nicht lange da, kleine Schwester.« Jandria erwiderte die Umarmung begeistert. Romilly strich ihr fliegendes Haar mit schmutzigen Händen glatt und sagte: »Laß mich ihn absatteln, und dann haben wir bis zum Abendessen noch etwas Zeit, uns zu unterhalten. Ist er nicht wundervoll? Ich habe ihn Sonnenstern genannt - so denkt er von sich, hat er mir erzählt.«
Jandria meinte: »Er ist wirklich schön. Aber du solltest den Pferden nicht so gesuchte Namen geben und sie auch nicht so fürsorglich behandeln. Sie gehen an die Soldaten, und da sind einfache, leicht zu merkende Namen besser. Und vor allem mußt du aufpassen, daß sie dir nicht zu sehr ans Herz wachsen, denn man wird sie dir bald wegnehmen. Sie sind für die Armee, obwohl einige von Frauen der Schwesternschaft geritten werden, wenn sie mit Carolins Männern ziehen, sobald das Lager abgebrochen wird. Du hast das Lager gesehen? Dann weißt du auch, daß der Zeitpunkt nahe ist, wo all diese Pferde der Armee übergeben werden müssen. Binde dich nicht so fest an sie.«
»Ich kann nicht anders, als sie gernhaben«, erwiderte Romilly. »Auf diese Weise trainiere ich sie. Ich gewinne ihre Liebe und ihr Vertrauen, und sie tun nach meinem Willen.«
Jandria seufzte. »Wir brauchen dein Laran, und doch ist es mir unlieb, es so zu benutzen, Kind.« Sie strich Romilly über das weiche Haar. »Als Orain dich zu uns brachte, erwähnte er, du könntest mit Kundschaftervögeln umgehen. Ich soll dich in Carolins Lager bringen, damit du einem neuen Pfleger zeigst, wie er sie behandeln muß. Geh und zieh dich zum Reiten um, mein Liebes.«
»Zum Reiten? Was habe ich deiner Meinung nach den ganzen Vormittag getan?« lachte Romilly.
»Aber nicht draußen«, stellte Jandria mit Nachdruck fest. Plötzlich sah sich Romilly mit Jannis Augen: In dem zerzausten Haar hingen Stückchen von Strohhalmen, die lose Jacke war aufgeknöpft, weil es heiß war und sie schwitzte, und der Ansatz ihrer Brüste war zu sehen. Sie hatte eine geflickte und zu enge Hose aus der Truhe mit den alten Sachen an, die die Schwesternschaft für Arbeiten auf dem eigenen Grundstück aufhob. Romilly errötete und kicherte.
»Dann will ich mich umziehen. Ich brauche nur eine Minute.«
Sie wusch sich schnell an der Pumpe, rannte in das Zimmer, das sie jetzt mit Clea und Betta teilte, und kämmte ihr wirres Haar. Sie schlüpfte in ihre eigene Hose und eine saubere Unterjacke, zog die rote Jacke der Schwesternschaft über den Kopf und gürtete sie mit ihrem Dolch. Nun sah sie nicht wie eine Frau in Männerkleidung und auch nicht wie ein Straßenjunge aus, sondern wie ein Mitglied der Schwesternschaft, eine berufsmäßige Schwertfrau, eine Soldatin für Carolins Armee. Sie konnte nicht ganz glauben, daß sie das in dieser formellen Kleidung war. Doch sie war es.
Jandria lächelte beifällig, als Romilly zurückkehrte. Auch Janni trug die rote Jacke einer Schwertfrau, ein Schwert am Gürtel und einen Dolch an der Kehle. Das kleine Abzeichen schimmerte in ihrem linken Ohr. Seite an Seite verließen die beiden Schwertfrauen die Tore ihres Hauses
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