Herrin der Falken - 3
sich verblüfft zu ihr um, und sie sagte: »Wir werden für die Nacht hierbleiben, und ich bin zum König und seiner Leronis gerufen worden.«
Orain war es, der ihr die Nachricht brachte. Er ritt durch die Menge der Männer und Pferde und Packtiere, die die Straße füllten, und rief: »Wohin willst du, Romilly? Der vai dom braucht dich!«
»Ich weiß.« Romilly ritt zu dem König vor, und Orain starrte ihr überrascht nach.
Carolin hob den Arm gegen die weite Wiese. »Hier wollen wir für die Nacht bleiben. Kannst du Maura helfen, eine Weide für die Pferde abzugrenzen, damit sie sich nicht zu weit entfernen?«
»Gewiß«, antwortete Romilly. Die Männer machten sich daran, das Lager aufzuschlagen, und brachten die besten Pferde auf die Wiese, darunter auch Sonnenstern.
Maura wandte sich an Romilly. »Nun werden wir einen Abgrund schaffen, den wir zwar nicht sehen können, aber sie; Pferde haben Angst vor großen Höhen, deshalb genügt es, wenn sie meinen, da sei einer.«
Romilly verband ihre Gedanken mit denen der jungen Leronis, und zusammen woben sie eine Illusion: einen tiefen Abgrund zwischen Pferden und Menschen, der die Weide umgab… Romilly, die noch in leichtem Rapport mit Sonnenstern stand und ihn auf ihr eigenes Pferd und die anderen auf der Wiese ausdehnte, sah die Kluft mit den Augen des Rappen und zuckte körperlich zusammen. Es ging weit hinunter, sie konnte ins Bodenlose fallen…
Maura unterbrach die Verbindung. »Romilly«, sagte sie ernst, »du bist das, was wir eine wilde Telepathin nennen, nicht wahr?«
Der kritische Ton in Mauras Stimme ärgerte Romilly. »Ich weiß nicht, was du meinst«, antwortete sie steif. »Ich meine, du gehörst zu denen, deren Laran sich von selbst, ohne die Disziplin eines Turms entwickelt hat«, erklärte Maura. »Weißt du, daß das gefährlich sein kann? Willst du mir nicht erlauben, dich zu überwachen und mich zu versichern, daß du unter Kontrolle bist? Laran ist keine einfache Sache…«
Romilly wurde noch steifer. »Die MacArans haben seit grauer Vorzeit mit Vögeln, Pferden und Hunden gearbeitet, und kaum einer von ihnen ist in einem Turm unterwiesen worden.« Eine Spur des Bergdialekts schlich sich in ihre Sprache zurück wie ein Echo von ihres Vaters Stimme. »Ziel der nur, den Geist eines Menschen durch ihre Türme zu beherrschen!«
Maura meinte beschwichtigend: »Ich habe nicht den Wunsch, dich zu beherrschen, Romilly. Aber du siehst aus, als habest du Fieber, und du bist noch in einem Alter, wo du gewissen Gefahren eines nicht richtig überwachten und entwickelten Laran erliegen könntest. Wenn du es mir nicht gestatten willst, daß ich nachsehe, was mit dir geschehen ist, könnte vielleicht dein Bruder…«
Noch weniger als Maura, dachte Romilly, würde sie ihrem strengen und asketischen Bruder, der immer mehr einem Cristofero-Mönch ähnelte, erlauben, Gedanken zu lesen, die sie sich kaum selbst einzugestehen wagte. Sie riß sich ungeduldig los und errichtete eine unbeholfene Barriere gegen Maura. »Es ist gütig von Euch, vai domna, aber Ihr braucht Euch um mich wirklich keine Sorgen zu machen.«
Maura runzelte leicht die Stirn. Romilly spürte, sie wog das
Hali’imyn ist doch leronyn und ihre Ethos einer im Turm ausgebildeten Telepathin, sich niemals aufzudrängen, gegen die sehr realen Gefahren ab, die dem Mädchen drohten. Es machte Romilly wütend. So viel älter war Maura nicht als sie. Warum meinte sie, berufen zu sein, Ordnung in Romilly s Laran zu schaffen?
Ich durfte allein sehen, wie ich damit fertig wurde, und jetzt, wo ich sie nicht länger brauche, überschlagen sie sich, mir ihre Hilfe anzubieten! Niemand hat mir geholfen, als mein Vater mich an Dom Garris verkaufen wollte, und niemand war zur Stelle, als ich beinahe von Rory vergewaltigt worden wäre oder als ich mich in Orains Bett zum Narren machte. Ich habe diese Schlachten allein und ohne Hilfe gewonnen. Wie kommen sie auf die Idee, ich hätte ihre verdammte Herablassung jetzt nötig? Maura betrachtete sie immer noch besorgt. Schließlich wandte sie sich zu Romillys Erleichterung seufzend ab. »Seht mal!« Carolin zeigte mit der Hand. »Seid ihr sicher, daß eure Illusion funktioniert?«
Romilly blickte hoch, und ihr blieb beinahe die Luft weg. Sonnenstern raste mit hochgeworfenem Kopf auf sie zu. Die Beine schienen kaum den Boden zu berühren. Maura hob die Hand. »Warte!« Und Sonnenstern erreichte den Rand der Wiese und bremste, alle vier Beine eng beisammen, als stände er
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