Herrin der Falken - 3
dessen werden sie sich freuen, daß du
gekommen bist, um ihren Gesang zu hören.«
»Nach schönen Stimmen hört sich das nicht an.« Romilly
lauschte auf die fernen Mißklänge, und Ranald lachte.
»Sie amüsieren sich bloß. Die Windsong-Brüder – so nennen
sie sich, obwohl es keine Brüder, sondern vier Cousins sind —
halten es nicht für der Mühe wert, mit ihrem Vortrag zu
beginnen, ehe alle versammelt sind und sie darum bitten. Wir
kommen noch rechtzeitig hin, um sie zu hören, und den Soldaten gefällt es, wenn der Adel sich mit ans Feuer setzt und an
ihrem Zeitvertreib teilnimmt.«
So aufgefordert, konnte Romilly nicht gut ablehnen, obwohl
sie Kopfschmerzen hatte und verdrießlicher Stimmung war.
Am liebsten wäre sie still zu Bett gegangen. Aber da im Lager
Gesang und Gelächter erschallten, hätte sie doch nicht schlafen
können. Vielleicht besaß Ruyven soviel Disziplin, daß er in dem Getöse meditieren konnte – sie nicht. Deshalb nahm sie
Ranalds Arm.
Der Mondschein machte es fast so hell wie am Tag – nun, wie
an einem grauen und regnerischen Tag. Gedrucktes hätte man
nicht lesen können, und die Farben von Ranalds buntem Mantel und Romillys roter Jacke waren nicht zu erkennen. Immerhin war reichlich Licht, den Weg zu finden. Ein Teil von
Romilly rupfte mit Sonnenstern friedlich Gras auf der Weide,
und doch war sie von einer seltsamen Ruhelosigkeit erfüllt. Sie
näherten sich den Feuern und hörten die Soldaten ein Lied
gröhlen, das alles andere als anständig war und von skandalö
sen Vorgängen unter dem Adel handelte.
»Verführt mit einer Kireseth-Blüte
Ein Chieri einst erglühte
Für den Bewahrer von Arilinn.
Ihrer Kinder waren dreie,
Daß davon emmasca zweie,
Weiß ich, da ich das dritte bin…«
Ranald bemerkte: »Dafür würde man sie in Stücke reißen,
wenn sie es irgendwo auf den Ebenen von Arilinn sängen. Hier
ist es etwas anderes. Es besteht eine alte Rivalität zwischen den
Türmen von Arilinn und Neskaya.«
»Seltsame Ereignisse für einen Turm«, stellte Romilly fest,
deren Bild von einem Turm aus den disziplinierten und strengen Gedanken Ruyvens stammte.
Er lachte. »Ich habe ein paar Jahre in einem Turm verbracht –
gerade genug Zeit, daß ich lernte, mein Laran zu kontrollieren.
Du mußt ja wissen, wie das ist. Als es begann – ich war
dreizehn – konnte ich mich manchmal kaum von einem brünftigen Cralmac unterscheiden und lief Gefahr, mit jeder Hündin
auf dem Hof in Hitze zu geraten! Ich saß damals noch im
Schulzimmer, und meine Erzieherin verlor völlig die Fassung.
Natürlich war sie eine alte Viper mit gefrorenen Gesichtszügen
– ich möchte meinen Lieblingshund nicht dadurch beleidigen,
daß ich die Lady eine Hündin nenne! Bestimmt hat sie sich oft
gewünscht, mich kastrieren zu lassen wie die Pack-Chervines,
damit sie mit dem Unterricht fortfahren könne!«
Romilly kicherte verlegen. Er spürte ihr Unbehagen und entschuldigte sich: »Verzeihung – ich hatte vergessen, daß du eine Cristofero und in dieser Lehre erzogen bist. Ich hatte gedacht, Mädchen seien anders. Ich hatte jedoch vier Schwestern, und bald verlor ich den Glauben, Mädchen seien zarter und empfindsamer – und dafür entschuldige ich mich nicht, denn du bist eine Frau aus den Bergen, und deine Arbeit mit den Vögeln verrät, daß du genug mit Tieren zusammen gewesen bist, um
zu wissen, was ich meine.«
Romilly errötete, und das Gefühl war nicht unangenehm. Sie
erinnerte sich an den Hochsommer in den Bergen um Falkenhof.
Die Welt quoll über von Leben, Rinder und Pferde paarten sich,
und sie hatte ohne Scham an den natürlichen Geschehnissen
rings um sie teilgenommen, obwohl es für ihren Kinderkörper
ein undifferenziertes Erlebnis war, sinnlich, aber nicht persönlich. Sie wußte, er zog sie auf, doch sie nahm es ihm nicht übel.
»Horch«, sagte Ranald, »da sind die Sänger.«
Sie trugen alle die Uniform der gemeinen Soldaten, vier Männer, einer groß und kräftig, einer mit zottigem, rötlichbraunem
Haar und wildem Bart, einer klein und fett mit einem runden,
rosigen Gesicht und schiefem Lächeln und der vierte hochgewachsen und hager mit knochigem Gesicht und großen roten
Händen. Aber aus seiner Kehle kam die schönste Tenorstimme, die Romilly je gehört hatte. Sie summten eine Weile vor
sich hin und suchten die richtige Tonlage. Dann stimmten sie
ein populäres Trinklied an. Romilly wußte, daß es sehr alt war. »Gepriesen sei Aldones Geschenk,
Das richtig placierte
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