Herrin der Falken - 3
geliebt.«
»Und sie hat das Leben geliebt!« schleuderte sie ihm entgegen. »Und sie ist gestorben, weil du und Carolin – ah, ich hasse euch alle, euch Männer und Könige und eure verdammten Kriege, von denen keiner eine Feder in ihrer Flügelspitze wert ist.« Sie ließ den Kopf in die Hände fallen und brach in heftiges Weinen aus.
Ruyven saß noch da, den Kopf in den Nacken gelegt, das Gesicht erstarrt vor konzentrierter Anstrengung. Er bewegte sich nicht, bis ein dunkler Körper aus den Wolken fiel und auf seinen Handschuh niedersank.
»Temperentia«, flüsterte Romilly erleichtert, »aber wo ist Prudentia?«
Wie zur Antwort kam aus den Wolken ein schriller Schrei, dann ein zweiter. Zwei Vögel stürzten durch die Schichten von Nebel und Regen, aneinandergeklammert, kämpfend. Federn fielen, und das Schreien erstarb. Ein schlaffer Körper fiel vor die Hufe ihrer Pferde, ein anderer flog eilends davon und kreischte triumphierend.
»Sieh nicht hin! Ranald, halt sie fest…«, begann Ruyven. Aber Romilly war schon vom Pferd gesprungen. Wild schluchzend hob sie den kleinen, blutbefleckten Körper Prudentias auf, immer noch weich und warm von dem eben erst entflohenen Leben. Sie drückte ihn an ihre Brust. Ihr Gesicht war naß und wütend. »Prudentia! Ah, Prudentia, Liebes, nicht auch du noch«, rief sie, und das Blut des Vogels verschmierte ihr Hände und Jacke. Ranald stieg ab, kam und nahm ihn ihr behutsam weg.
»Es hat keinen Sinn, Romilly; sie ist tot«, sagte er leise, schloß sie in seine Arme und zog sie an sich. »Armes kleines Liebchen, weine nicht. Da kann man nichts machen; das ist der Krieg.“
Und das soll eine Entschuldigung für alles sein! Romilly spürte den Zorn in sich aufsteigen. Sie spielen mit dem Leben wilder Vögel, bleiben selbst in Sicherheit und sagen, das ist der Krieg… ich stelle ihr Recht nicht in Frage, sich gegenseitig umzubringen, aber was weiß ein unschuldiger Vogel von dem einen König oder dem anderen?
Ruyven beruhigte Temperentia auf seiner Faust und streifte ihr die Haube über. Er sagte: »Romilly, versuche dich zu beherrschen. Es gibt Arbeit zu tun. Ranald – du hast gesehen?«
»Aye, ich habe es gesehen«, antwortete Ranald. »Irgendwo in Rakhals Troß ist Haftfeuer. Ich weiß nicht, wo er es verwenden will, aber Carolin muß es sofort erfahren! Die Zeit mag knapp werden, wenn wir nicht von dem Zeug verbrannt werden wollen, und ich will gewiß nicht, daß es gegen mich oder gegen das Land hier herum eingesetzt wird.«
»Ich auch nicht. Ich habe gesehen, was Haftfeuer anrichten kann – in Tramontana«, erwiderte Ruyven. »Allerdings nicht im Krieg. Carolin hat gelobt, es nicht gegen Menschen anzuwenden, die auf seinem Land leben müssen. Wenn wir jedoch damit angegriffen werden, weiß ich nicht, wie er sich dagegen verteidigen will.«
Romilly, die bisher stumm danebengestanden hatte, fragte: »Was ist Haftfeuer?«
»Der Atem aus Zandrus Schmieden«, antwortete Ranald. »Es brennt so lange weiter, wie es Nahrung findet, frißt sich durch Haut und Knochen und sogar in Stein hinein… ein Feuer, das durch Zauberei und Laran hergestellt wird.«
Das bezweifele ich nicht. Leute, die einen unschuldigen Vogel des Anspruchs irgendeines Königs wegen töten, werden nicht davor haltmachen, auch Menschen umzubringen
»Du mußt mit uns kommen.« Ranald half ihr in den Sattel. »Carolin muß es erfahren, und er wird alle seine leronyn brauchen – Maura hat geschworen, nicht gegen Rakhal zu kämpfen. Trotzdem wird sie nicht zögern, den Gebrauch von Haftfeuer gegen ihr eigenes Volk zu verhindern, ganz gleich, was sie noch für Rakhal empfinden mag!«
Romilly ritt, ohne etwas zu sehen; die Tränen strömten ihr immer noch aus den Augen. Sie wußte nichts über die Waffen, die diese Männer und ihre Könige und ihre Leroni benutzten, und sie wollte auch nichts darüber wissen. Undeutlich war ihr bewußt, daß Ranald von ihr wegritt. Blindlings suchte sie den Kontakt mit Sonnenstern und empfand in der tröstlichen Kraft des großen Hengstes eine unendliche Wärme und Verbundenheit. Er war in ihr, und sie war in ihm. Sie lebten in der Gegenwart ohne Erinnerung oder Vorahnung, ohne Vorstellungskraft oder Emotion außer den unmittelbaren Stimuli: Grünes Gras, die Straße unter den Hufen, das Gewicht Carolins, bereits geliebt, im Sattel. Sie ritt, ohne etwas zu sehen, denn der größte Teil ihres Ichs war bei Sonnenstern, und Verlust und Trauer waren ausgelöscht in dem nicht
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