Herrin der Falken - 3
ihrer eigenen Reitkunst. Der älteste Sohn von Hohenklippen war in Ruyvens Alter und sein liebster Freund gewesen. Er behandelte Romilly und sogar Darren als kleine Kinder. Und die Leute von waren alle erwachsen, die meisten verheiratet, und einige hatten schon Kinder. Nun, vielleicht bekam sie Gelegenheit, mit ihrem Vater und Darren, der aus Nevarsin erwartet wurde, auszureiten und Preciosa fliegen zu lassen. Es wäre nicht allzu schlimm, wenn sie dazu, solange Besuch da war, einen Damensattel benutzen und statt der zur Jagd besser geeigneten Stiefel und Hosen ein Reitkleid tragen mußte. Die Leute würden nur ein paar Tage bleiben, und dann konnte sie zum Reiten wieder in ihre vernünftige Jungenkleidung schlüpfen. Vor den Gästen ihrer Eltern wollte sie sich gern schicklich anziehen. Es verstand sich von selbst, daß sie gelernt hatte, in der Anwesenheit von Fremden – und auch, um ihrer Stiefmutter eine Freude zu machen – mit Reitröcken und Damensattel fertig zu werden. Auf dem Weg in ihr Zimmer summte Romilly vor sich hin. Sie wollte sich zum Reiten umziehen. Vielleicht würde sie Rael mitnehmen, wenn sie Preciosa am Federspiel übte, diesem Gebilde aus Federn, auf dem Fleischstückchen befestigt werden und das man mit einer langen Leine um den Kopf wirbelt. Aber als sie hinter ihrer Tür nach den alten Stiefeln und Hosen suchte, die sie immer zum Reiten trug – sie hatten früher
Ruyven gehört –, fand sie sie nicht.
Romilly klatschte in die Hände, um das Mädchen herbeizurufen, das die Kinder bediente. Es kam jedoch die alte Gwennis.
»Was soll das, Gwennis? Wo sind meine Reitsachen?“
»Dein Vater hat strengen Befehl gegeben«, antwortete Gwennis. »Lady Luciella hieß mich, sie wegzuwerfen. Sie waren ja
kaum noch für den Jungen des Falkenmeisters geeignet, diese
alten Dinger. Dein neues Kleid wird schon genäht, und du
kannst dein altes tragen, bis es fertig ist, mein Schätzchen.“
Gwennis zeigte auf den Rock und die Jacke, die auf Romillys
Bett ausgelegt waren. »Komm, mein Lämmchen, ich helfe dir
beim Zuschnüren.«
»Du hast die Sachen weggeworfen?« explodierte Romilly.
»Wie konntest du es wagen!«
»Oh, oh, sprich nicht so mit mir, mein Liebchen. Wir müssen
alle tun, was Lady Luciella sagt, nicht wahr? Das Reitkleid da
paßt dir immer noch gut, auch wenn es ein bißchen eng in der
Taille ist – sieh her, ich habe es gestern, als Lady Luciella es mir
sagte, für dich ausgelassen.«
»Darin kann ich Windracer nicht reiten!« Romilly knäulte die
beleidigenden Röcke zusammen und warf sie quer durchs Zimmer. »Er ist nicht an einen Damensattel gewöhnt, und ich hasse
es, so zu reiten, und Gäste sind gar keine da! Besorg mir
irgendeine Reithose!« tobte sie.
Gwennis schüttelte streng den Kopf. »Das darf ich nicht, Herzchen. Dein Vater hat befohlen, du sollst nicht mehr in Hosen
reiten, und es ist auch Zeit! Zehn Tage vor Mittsommer wirst
du fünfzehn. Wir müssen jetzt daran denken, dich zu verheiraten, und wer wird ein Mannweib heiraten wollen, das in Hosen
herumläuft wie eine Troßdirne oder eine dieser skandalösen
Frauen von der Schwesternschaft mit ihren Schwertern und
durchbohrten Ohren? Wirklich, Romilly, du solltest dich schä
men. Ein großes Mädchen wie du, das ins Falkenhaus davonläuft und die ganze Nacht draußen bleibt – du mußt endlich zu
einer Dame gezähmt werden! Jetzt zieh deinen Reitrock an,
wenn du ausreiten möchtest, und rede keinen solchen Unsinn
mehr.«
Romilly starrte ihre Kinderfrau entgeistert an. Also diese Strafe hatte ihr Vater ihr zugedacht! Schlimmer, viel schlimmer als
Schläge, und sie wußte, eine Auflehnung gegen den Befehl
ihres Vaters gab es nicht.
Wenn er mich doch geschlagen hätte! Wenigstens hätte er sich
dann unmittelbar mit mir, mit Romilly, mit einer Person
befaßt. Aber mich Luciella zu übergeben, damit sie mich zu
ihrer Vorstellung von einer Dame ummodelt…
»Es ist eine Beleidigung für ein anständiges Pferd!« schimpfte
Romilly. »Ich werde das Zeug nicht anziehen!“
Sie versetzte dem Bündel auf dem Fußboden einen wilden
Tritt.
»Ja, dann, Schätzchen, kannst du wie eine Lady im Haus bleiben, du mußt ja nicht ausreiten«, meine Gwennis gemütlich.
»Du bist sowieso zu oft in den Ställen. Es ist Zeit, daß du
hübsch drinnen bleibst und die Falken und Pferde deinen Brü
dern überläßt, wie es sich schickt.«
Entsetzt schluckte Romilly den Klumpen in ihrer Kehle hinunter. Ihr Blick wanderte von dem Reitkleid auf dem
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