Herrin Der Stürme - 2
ihr uns nicht zusammen verlaßt, muß zumindest einer von euch gehen. Selbst in getrennten Kreisen würde es, da ihr zusammen unter einem Dach wohnt, zu Spannungen kommen. Ich glaube, du solltest gehen, Allart. Du hast in Nevarsin gelernt, dein Laran zu beherrschen, aber Cassandra nicht. Aber du mußt selbst darüber entscheiden. Das Gesetz hat dich zu Cassandras Herrn gemacht, und auch zum Wahrer ihres Willens und Gewissens, wenn du dieses Recht ausüben willst.« Er überhörte die Ironie. »Wenn du glaubst, es wäre besser für meine Ehefrau, zu bleiben«, sagte er, »dann wird sie bleiben, und ich werde gehen.« Trostlosigkeit überfiel ihn. In Nevarsin hatte er Glück gefunden, aber er war dort weggegangen, um nie mehr zurückzukehren. Sollte er nun auch von hier fortgehen?
Gibt es auf dieser Welt keinen Platz für mich? Muß ich für immer, heimatlos, von den Winden der äußeren Bedingung getrieben werden? Er amüsierte sich auf merkwürdige Art über sich selbst: Er beklagte sich, weil das Laran ihm zuviele Zukunftsmöglichkeiten zeigte, und jetzt war er betrübt, weil er keine sah. Auch Renata wurde von Entscheidungen getrieben, die nicht ihrer Kontrolle unterlagen.
»Du hast die ganze Nacht gearbeitet, Cousine«, sagte er, »und bist hier geblieben, um dich mit meinen und den Sorgen meiner Frau zu plagen, anstatt dich selbst auszuruhen.«
Ihre Augen lächelten, ohne daß ihre Lippen sich bewegten. »Oh, es hat mich erleichtert, an andere Sorgen als die meinen zu denken, wußtest du das nicht? Die Lasten anderer sind leichter zu tragen. Aber ich werde jetzt schlafen gehen. Und du?«
Allart schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht müde. Ich glaube, ich werde eine Zeitlang im See Spazierengehen, mir die merkwürdigen Fische oder Vögel anschauen und mir darüber klarzuwerden versuchen, was sie tatsächlich sind. Ich frage mich, ob unsere Vorväter sie gezüchtet haben. Vielleicht werde ich Frieden finden, wenn ich etwas betrachte, das meine Sorgen nicht betrifft. Sei gesegnet, Cousine für deine Freundlichkeit.« »Warum? Ich habe nichts gelöst. Ich habe dir mehr Sorgen verschafft, das ist alles«, sagte Renata. »Aber ich werde schlafen gehen und vielleicht eine Antwort auf unsere Sorgen träumen. Ich frage mich, ob es ein solches Laran, gibt.«
»Wahrscheinlich«, erwiderte Allart. »Aber es ist zweifellos jemandem gegeben worden, der es nicht zu seinem eigenen Besten anwenden kann. So sind die Dinge in dieser Welt nun einmal. Wären sie anders, könnten wir den Weg aus allen Sorgen heraus finden und wie eine Spielfigur sein, die es schafft, sich vom Brett zu lösen, ohne gefangen zu werden. Geh schlafen, Renata. Die Götter mögen verhüten, daß du die Last unserer Ängste und Sorgen sogar noch im Traum trägst.«
12
Als Allart sich an diesem Abend in der unteren Halle zu den Mitgliedern seines Kreises gesellte, war dort ein aufgeregtes Gespräch im Gange. Alle waren anwesend, nicht nur die sechs, mit denen er an diesem Morgen gearbeitet hatte. Er fing Renatas Blick auf. Sie war blaß vor Angst. Er fragte Barak, der am Rande der Gruppe stand: »Was ist los? Was ist passiert?«
»Wir haben Krieg. Die Ridenows haben mit Bogenschützen und Haftfeuer-Pfeilen einen Angriff auf Burg Hastur gestartet und belagern die Kilghard-Hügel mit Luftwagen. Jeder taugliche Mann der Hasturs und Aillards ist ausgerückt, um das in den Wäldern wütende Feuer zu bekämpfen oder die Burg zu verteidigen. Wir haben es von den Verstärkern in Neskaya erfahren. Arielle war in den Verstärkernetzen und hat gehört…«
»Alle Götter!« entfuhr es Allart. Cassandra erschien und blickte besorgt zu ihm auf.
»Wird Lord Damon-Rafael nach dir schicken, mein Gatte? Mußt du in den Krieg ziehen?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Allart. »Ich war lange im Kloster, und mein Bruder wird möglicherweise glauben, daß ich in Kriegsführung und Strategie zu wenig geübt bin. Vielleicht macht er einen seiner Friedensmänner zum Kommandanten.« Er schwieg nachdenklich. Wenn einer von uns gehen muß, ist es vielleicht besser, wenn ich es bin. Wenn ich nicht zurückkehre, wird Cassandra frei sein. Wir würden dann dieser hoffnungslosen Situation entkommen. Mit tränenerfülltem Blick sah Cassandra zu ihm auf, aber sein Gesicht blieb kalt und gefühllos. Er sagte: »Warum ruhst du nicht? Renata sagte, du seist krank. Solltest du nicht besser das Bett hüten?«
»Ich habe das Gerede über den Krieg gehört und Angst bekommen«, antwortete sie
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