Herrin des Blutes - Thriller
hatte sie nicht nur stärker gemacht, sondern auch unzählige interessante Perspektiven eröffnet. Die Zeit, die sie unterwegs mit Dream und den beiden Mädchen verbracht hatte, empfand sie rückblickend als ungemein befriedigend und amüsant. Also war sie bei dem Trio geblieben und hatte dem hin und wieder aufkeimenden Drang widerstanden, alle umzubringen. Letzten Endes erledigte sich die Sache quasi von selbst. Nun befand sie sich in einer perfekten Lage, genau am richtigen Ort, um ihren dunklen Trieben nachzugeben, die seit Langem in einer dunklen Ecke ihres Verstands lauerten.
Merkwürdig.
In ihrem ersten Leben hatte sie nie derartige Gelüste verspürt. Die ursprüngliche Alicia Jackson war zwar ebenso hart und geradlinig, aber auch ein zutiefst moralischer Mensch gewesen. Dieses Gewissen hatte sie jedoch bei ihrer Rückreise aus dem Jenseits nicht begleitet. Es störte sie zwar ein wenig, dass ein Teil ihres Wesens unterwegs verloren gegangen war, aber mittlerweile hatte sie sich damit arrangiert.
Neben ihr befanden sich drei schwarz gekleidete Schüler im Raum. Zwei junge Männer und ein schlankes Mädchen, etwa im selben Alter wie die ans Bett gefesselte Ausreißerin. Die Männer hatten es sich auf Sesseln bequem gemacht. Sie wirkten gelangweilt. Das hier war nichts, was sie nicht schon tausend Mal gesehen hätten. Das Mädchen hingegen saß direkt neben dem Bett auf einem Stuhl, einen wissbegierigen Ausdruck auf dem Gesicht und ein dunkles, gieriges Verlangen in den Augen.
Alicia lächelte erneut. »Sophie? Würdest du mir einen Gefallen tun?«
Sophie reagierte sofort. »Ja, Meisterin?«
»Da drüben steht ein Fläschchen mit Parfüm.« Sie nickte in Richtung des Schminktischs an der Wand hinter Sophie. »Holst du es bitte für mich?«
Sophie strahlte. »Natürlich. Gern.«
Sie sprang auf, hüpfte zum Tisch hinüber und legte dabei eine jugendliche Begeisterung an den Tag, die Alicia als ausgesprochen charmant empfand. Sie entdeckte das Fläschchen und brachte es zu ihr. »Bitte schön.«
»Ich danke dir, Sophie. Und jetzt setz dich hin und sieh mir zu. Das wird ein Spaß!«
Sophie tat wie befohlen. Alicia konzentrierte sich erneut auf das gefesselte Mädchen, während sie den Deckel vom Flakon abzog. Sie brachte ihn über der langen Schnittwunde in Position. »So etwas Ähnliches hat man mir vor einigen Jahren auch angetan. Pass gut auf, Kleines. Wenn du denkst, dass du jetzt schon Schmerzen hast, dann wirst du dich wundern …«
Ein aufjaulendes Heavy-Metal-Riff jagte Alicia einen gewaltigen Schreck ein und das Fläschchen glitt ihr aus den Fingern. Die Musik war laut. Und unglaublich nah. Nicht das erste Geräusch, wie ihr bei näherem Nachdenken bewusst wurde. Schon vorher hatte sie unterschwellig ein tiefes Wummern wahrgenommen, das sie nun als das Dröhnen von Motoren einordnete.
Alicia stand auf und ging auf die Schlafzimmertür zu. »Was zur Hölle ist da draußen los?«
Sie trat auf den Treppenabsatz im ersten Stock hinaus, spähte die Stufen hinunter und bemerkte eine Reihe von Soldaten der Schwarzen Brigade, die in die Eingangshalle rannten. Alicias Neugier war geweckt und sie lief ihnen nach. Die Schüsse setzten ein, als sie gerade die Hälfte der Stufen hinter sich gelassen hatte. Dann durchschlug das erste AT-7-Geschoss die Tür, flog durch die Eingangshalle und detonierte, als es im Wandbogen vor dem Wohnzimmer einschlug. Die Explosion zerfetzte mehrere Körper und holte Alicia von den Beinen. Unkontrolliert stürzte sie die Treppe hinunter.
Sie wollte sich gerade wieder aufrappeln, als das zweite Geschoss einschlug. Die nächste Explosion riss sie erneut zu Boden, und für einen Moment fühlte sie sich verwirrt und wie gelähmt. Sie hörte laute Stimmen und überall sausten Kugeln durch die Luft. Dann schoss ein stechender Schmerz durch ihren Körper. Alicia neigte den Kopf und registrierte schockiert, dass ein Schrapnellsplitter ihren Unterleib aufgerissen und die Eingeweide regelrecht zerfetzt hatte.
Dann zertrat der schwarze Stiefel eines fliehenden Soldaten der Schwarzen Brigade ihr Gesicht und sie starb ein zweites Mal. Die letzte bewusste Empfindung vor ihrem Ableben war ein überraschendes – und intensives – Gefühl der Erleichterung.
Kapitel 28
Die Armee der Invasoren stürmte durch den zerstörten Vordereingang ins Haus und schwärmte ins Erdgeschoss aus. Die akustische Kulisse der Schüsse begleitete sie. Das stotternde Knallen und Rattern verschmolz zu einer
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