Herrin des Blutes - Thriller
die Schmerzen zurückkehrten und die vorübergehende Taubheit aufgrund des Schocks überlagerten. Stattdessen wimmerte sie: »Töte mich einfach. Und bring es hinter dich.«
Miss Wickman warf ihren Kopf in den Nacken und lachte erneut, lange und herzhaft, bis sie beinahe anfing zu weinen. »Oh, gerade du solltest es doch besser wissen, Giselle. Wir nehmen dich mit an ein ganz besonderes Plätzchen, meine Liebe. Du wirst für sehr, sehr lange Zeit dort bleiben und dein Leiden wird bis in alle Ewigkeit währen.«
Und so war sie an diesen Ort gelangt, viele Hundert Meilen von Boston entfernt.
Die Verzweiflung übermannte sie, als ihr bewusst wurde, dass es Miss Wickman tatsächlich gelungen war, auch die anspruchsvollsten Formen der dunklen Magie zu meistern, die Götter des Todes zu besänftigen und durch tägliche Blutopfer unendliche Macht aus ihnen zu schöpfen. Der Geruch von frisch vergossenem Blut hing schwer in der Luft.
Giselle wusste, dass sie eines Tages als Opfergabe für die Götter des Todes enden würde. Ihre sadistische Seele dürften sie besonders zu schätzen wissen. Sie würde sterben.
Es sei denn …
Ja. Es gab noch einen Weg, den sie beschreiten konnte. Die Erfolgsaussichten waren bestenfalls gering. Und es würde einen höheren Preis von ihr fordern, als sie zu zahlen bereit war, selbst angesichts der düsteren Aussichten, die sich ihr momentan boten. Sie zögerte und dachte darüber nach, welch unaussprechliche Gräueltaten man womöglich im Austausch für die Hilfe fordern würde, die sie so dringend benötigte. Die Zeit lief ihr davon. Die Minuten verrannen, die letzten Sekunden ihrer Lebensuhr tickten. Der Tod nahte mit unaufhaltsamen Schritten. Sie konnte den Sensenmann auf dem Steinfußboden beinahe hören. Sie sah ihn in Gedanken vor sich, wie er die knochige Hand hob und einen seiner eiskalten Finger auf sie richtete.
Dann löste sich die Vorstellung des Todesboten auf und wurde durch ein Bild von Miss Wickmans irrsinnigem Grinsen in jenem Moment ersetzt, als die Klinge Giselles Hände von ihrem Körper separierte. Ein dumpfes Geräusch ähnlich dem warnenden Knurren eines verwundeten Tieres entwich donnernd aus ihrer Kehle.
Sie legte den rechten Unterarm an den Mund. Der Geschmack ihres eigenen Fleischs auf der Zunge ließ sie einen Moment innehalten. Ihre Entschlossenheit erstarrte in Erwartung des Schmerzes. Dann bohrte sie die Zähne in den Arm, trieb sie ganz tief hinein, zerriss das Fleisch und füllte ihren Mund mit salzigem Blut. Sie trank es, ließ es schlürfend in ihren Magen rinnen. Dann lehnte sie sich nach vorn und presste das Gesicht gegen die kalten Metallstäbe am Käfigboden. Giselle öffnete den Mund und spuckte das Blut aus, das sich prompt auf dem Metall verteilte. Die Schmerzen waren die Hölle, aber sie ignorierte sie und begann mit dem Blutritual, indem sie die Worte wiederholte, die sie vor so vielen Jahren auswendig gelernt hatte. Rhythmische Sätze in einer fremdartigen Sprache. Ein Gesang. Ein Beschwörungszauber.
Miss Wickman hatte ihr die Fähigkeit genommen, Magie als Waffe einzusetzen, aber sie hatte Giselle nicht ihres Wissens beraubt. Sie besaß noch immer einen Verbündeten unter den Todesgöttern. Einen Abtrünnigen, der sie auch bei dem Vorhaben, den Meister zu stürzen, unterstützt hatte. Er würde ihr auch diesmal zur Hilfe eilen. Wenn sie ihn nur erreichen konnte …
Sie berührte das kalte Metall mit der Zungenspitze und kostete erneut ihr eigenes Blut. Dann bündelte sie sämtliche geistige Energie, die sie aufbringen konnte, und sandte eine Botschaft in die Mauer aus Dunkelheit in den Äther jenseits der Finsternis.
Azaroth, ich flehe dich an.
Sie kostete erneut ihr Blut, metallisch und bitter.
Ich biete dir mein Blut dar. Meinen Schmerz. Bitte, komm und hilf mir. Ich tue alles.
Nichts.
Die Verzweiflung schlich sich erneut in ihre Gedanken und drohte, die Konzentration und spirituelle Reinheit, die für das Ritual nötig waren, zu zerstören. Sie kostete einmal mehr von ihrem Blut und benutzte die geringe Kraft, die es enthielt, um ihren schwindenden Willen ein letztes Mal zu fokussieren.
Sie schickte die Botschaft erneut aus: Azaroth, ich beschwöre dich …
Dann spürte sie es. Die Anwesenheit des Todesgottes manifestierte sich zunächst mit einer Wärme, die es ihr ermöglichte, für einen Augenblick der eisigen Kälte ihrer Folterkammer zu entfliehen. Sie holte tief Luft, atmete ganz langsam wieder aus und zwang sich, zu
Weitere Kostenlose Bücher