Herrin des Blutes - Thriller
unterdrückten Gruppe in der Geschichte der Menschheit übertreffen. Sie würde den Todesgöttern damit eine so große Ehre erweisen, dass sie ihr mehr Macht verleihen würden, als sie es sich selbst vorstellen konnte.
Sie entsorgte den toten Vogel über das Geländer und kehrte in ihre Gemächer zurück. Die nackten Partygäste waren noch immer nicht erwacht, und einen Moment lang spielte Giselle mit dem Gedanken, jeden Einzelnen von ihnen umzubringen, so wütend war sie über den verwahrlosten Zustand ihrer Gemächer. Sie griff nach dem Speer und riss den Kopf der toten Sklavin von der Spitze. Sie schleuderte ihn beiseite, untersuchte die scharfe, mit Blut bedeckte Spitze der Waffe und stellte sich vor, wie sie diese in die Herzen aller Anwesenden rammte. Die Brutalität würde ihr zwar ein paar Momente kalter Befriedigung verschaffen, aber sie entschloss sich dennoch dagegen. Einige der schlafenden Schüler waren ausgesprochen talentiert und entschieden schwieriger zu ersetzen als Sklaven.
Zudem wusste sie, dass sie das Unausweichliche damit nur weiter hinauszögerte.
Sie wappnete sich, holte tief Luft und trat durch den offenen Eingang in die dunkle Folterkammer. Die Kälte kroch erneut in ihre Knochen. Sie murmelte eine Zauberformel und an den Kerzen züngelten Flammen empor. Ihr Blick suchte die leblose Gestalt, die lang ausgestreckt auf dem Boden des von der Decke hängenden Käfigs lag. Sonst hielt sich niemand hier auf, und allem Anschein nach fehlte auch nichts. Sie fragte sich, was sie dazu bewogen hatte, die Kammer aufzuschließen, und vermutete, dass es auf Ursulas Initiative zurückging.
Giselle drang tiefer in die Kammer vor, und die Gestalt auf dem Käfigboden bewegte sich und drehte sich zu ihr um, als sie ihr Kommen hörte. Mehrere ineinander verhedderte Strähnen ihrer goldblonden Locken fielen Gwendolyn ins Gesicht. Sie lächelte schwach. Ihre geschwollenen Lippen waren mit getrocknetem Blut überzogen.
»Sieh an, die große Thronräuberin. Welch Privileg es ist, sich in eurer Gegenwart aufhalten zu dürfen, Meisterin.« Sie lachte, ein krächzendes Geräusch, dem sich ein tiefes, trockenes Husten anschloss. »Kommst du, um mir den Rest zu geben, ja? Wo steckt denn deine kleine Mätresse? Sie würde diesem Ereignis bestimmt gerne beiwohnen, meinst du nicht?«
Gwendolyns Körper war von blauen Flecken und leuchtend roten Narben überzogen, viele von ihnen so stark entzündet, dass sie förmlich pulsierten. Aus zahlreichen Stellen aufgerissener Haut quollen Blut und Eiter. Ihr fehlten ein Ohr, eine Brustwarze und mehrere Zehen und Finger. Auf ihrem Unterleib und an den Oberschenkeln waren zahlreiche Brandwunden zu erkennen. Und sie hatten ihr die Vagina teilweise zugenäht. Giselle hatte an keiner dieser Folterungen teilgenommen, aber sie war bei den meisten anwesend gewesen und hatte mit einer gewissen Distanziertheit zugesehen, wie Ursula sich amüsierte. Irgendwann hatten sie die endlosen Misshandlungen, die ihre Geliebte der Gefangenen zufügte, jedoch ermüdet. Sie zogen sich nun schon über Wochen hin und hatten längst den Punkt überschritten, an dem ihre ehemalige Schülerin von ihren Qualen hätte erlöst werden sollen.
Giselle lächelte und stellte sich dichter an den Käfig. Sie veränderte ihren Griff um den Speer und versuchte, zu entscheiden, welcher mögliche Winkel sich am besten für einen tödlichen Stoß eignete. »Deine Peinigerin liegt schlafend in meinem Bett. Etwas zu viel Wein gestern Nacht, fürchte ich.«
In Gwendolyns Augen war ein Flackern zu erkennen, als sie beobachtete, wie sich die blutige Speerspitze auf sie zubewegte. Möglicherweise die instinktive Angst eines Menschen, der spürt, dass sein Tod kurz bevorsteht. Das leise Lächeln, das ihre Mundwinkel und die aufgedunsenen Lippen umspielte, strafte diesen Eindruck jedoch Lügen. Und sie wich selbst dann nicht zurück, als sich die Speerspitze zwischen den Gitterstäben des Käfigs hindurchschob und die Spalte zwischen ihren Brüsten berührte. Giselles Körper spannte sich an, als sie die Hände noch fester um die Stange des Speers schloss. Das Mädchen machte es ihr leicht, beinahe so, als biete es sich freiwillig als Opfer an. Was keine Überraschung gewesen wäre. Sie hatte unendliche Qualen erlitten. Beinahe jeder in ihrer Situation hätte den Tod willkommen geheißen.
Und dennoch …
Dieses Lächeln.
Giselle runzelte die Stirn. »Irgendetwas stimmt nicht.«
Gwendolyns Lächeln wurde breiter und
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