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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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die beiden Ada und Christopher gewahr wurden, blieb der junge Flügge ehrerbietig grüßend stehen, während Dierk zu ihnen kam.
    »Ich habe was Aufregendes gehört«, wandte er sich an Ada. »Die Leute hier meinen alle, der alte Graf hätte einen Schatz versteckt. Wenn man ihn fände, wäre das gut für Euch, oder?« Er hatte keine Angst vor den Hunden, beugte sich zu ihnen hinunter und kraulte sie abwechselnd.
    »Einen Schatz? Wie kommen die Leute darauf?« Ada lächelte. Sie mochte nicht mehr daran denken, dass Dierks Onkel vielleicht doch noch kommen und seinen Neffen abholen würde.
    Dierk grinste entschuldigend, bevor er antwortete. »Sie sagen, der Herr war so profitgierig und knauserig, dass was übrig sein muss. Er muss aus dem Krieg einen Gewinn gezogen haben, sagen sie.«
    »Darüber werden wir morgen alles erfahren, wenn Procurator Eckermann hier ist«, warf Christopher ein.
    Dierk sah ihn flüchtig an, in seinem Blick blitzte Spott auf. »Ja? Na dann.« Er wandte sich wieder an Ada und hob beide Hände mit zu Hörnern gekrümmten Fingern an die Schläfen. »Habt Ihr schon den schwarzen Bullen gesehen? Ein böses Monstrum. Man denkt, seine Augen müssten rot glühen.«
    Ohne auf Antwort zu warten, rannte er zurück zum Viehstall, die Hunde hinterher. Auch der Flügge’sche Junge war wieder hineingegangen.
    Christopher sah ihm kopfschüttelnd nach. »Das mit dem Schatz ist sicher Unsinn.«
    »Ja? Schade.« Ada tat, als müsste sie seinen Arm loslassen, um ihren Rock zu heben, bevor sie weiterging. Als könne sie damit wiedergutmachen, dass sie vorher zu nah an ihn herangerückt war.

9
     
    Der Procurator Eckermann reiste am nächsten Mittag an. Gemeinsam mit ihm erschien überraschend der ehemalige Verwalter des Gutes, Wilhelm Vogt. Die beiden wurden von einem Boten begleitet, der eine schriftliche Beileidsbekundung von Lenz’ Onkel Ferdinand überbrachte. Der wenig jüngere Bruder des verstorbenen Grafen residierte jenseits von Hermannsburg in der Heidmark.
    Der Rheumatismus würde ihm die Reise verbieten, ließ Graf Ferdinand bestellen.
    Lenz dachte sich seinen Teil. Ihr Leben lang hatten die Brüder sich an Arglist und Habgier überboten, auch gegeneinander. Erbittert hatten sie sich im Religionsstreit auf verschiedene Seiten gestellt. Alles, was Lenz über seinen Onkel wusste, wies darauf hin, dass er ein noch schlechterer Mensch sein musste, als sein Vater es gewesen war. Der Rheumatismus hätte Graf Ferdinand von nichts abgehalten, wenn er Ludwigs alleiniger Erbe geworden wäre, vermutete Lenz. Dass dem nicht so war, hatte Procurator Eckermann ihm zweifellos ausgerichtet.
    Beweisen konnte Lenz es nicht, aber er war überzeugt davon, dass seine Begegnung mit den vagabundierenden Soldaten, die Christopher und ihn zum Heer verschleppt hatten, eine von Graf Ferdinand gestellte Falle gewesen war.
    Pastor Hasenbein war mit zwei zusätzlichen Sargträgern rechtzeitig zur Stelle, um vor der Beisetzung in der kleinen Kapelle eine Andacht halten zu können. Den Begründern des Wenthe’schen Geschlechts hatte die Kapellengruft noch als Grabstätte gedient. Ihre Nachkommen fanden die letzte Ruhe auf einem Friedhof außen vor der Mauer.
    Hinter der Kapelle gab es eine Tür, die direkt zu diesem Friedhof führte, doch für Särge war sie zu klein, und zudem hatte Lenz den Schlüssel noch nicht gefunden. Daher trugen sie in einer kleinen Prozession den Toten aus dem Haupttor, um das Anwesen herum zum Familienfriedhof auf der Nordseite.
    Zu Füßen eines grauen, mit Ornamenten verzierten Steinkreuzes wurde Ludwig von der Wenthe dann zur letzten Ruhe gelegt, neben Agnes, die ihm einundzwanzig Jahre vorausgegangen war, und neben Rudolph, seinem erstgeborenen Sohn.
    Während des schwermütigen Moments am Grab bedauerte Lenz, dass er über seine Mutter so gut wie nichts wusste. Die wenigen Kindheitserinnerungen, in denen sie vorkam, waren undeutlich. Er konnte nicht einmal sagen, ob sie seinen Vater gemocht hatte.
    Der leichte Heideboden fiel mit einem Rieseln auf den Sarg. Das war ein anderes Geräusch als das Poltern schwerer, nasser Erde, die vor vierzehn Jahren auf den Sarg von Christophers Mutter gefallen war. Lenz hatte um sie stärker getrauert als um seine eigenen Eltern.
    Christopher war noch jung genug gewesen, um am Grab von Schluchzen geschüttelt zu werden. Sein Vater hatte selbst kaum Kraft übriggehabt, daher hatte Lenz seinen Freund umarmt und gehalten.
    Zu jener Zeit war ihm klar geworden, dass er

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