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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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war ihm heiß, und
Übelkeit stieg in ihm hoch. Er musste dieses Ding endlich zu fassen kriegen,
sonst würde er noch auf seine Füße kotzen. Davon redete keiner, wenn sie diesen
Job als abwechslungsreich beschrieben.
    Ein
Luftzug streifte ihn. Noch bevor er sich umdrehen konnte, wusste er, dass
jemand im Raum war. Aus den Augenwinkeln sah er einen Schatten, und dann hörte
er eine klare, kalte Stimme.
    »Was
machen Sie hier?«
    Er fuhr
zusammen und verlor beinahe das Gleichgewicht. Seine Augen weiteten sich vor
Erstaunen, denn in der Tür stand eine Frau. Sie trug einen weißen Overall, und eine
Gasmaske baumelte vor ihrer Brust. Unter den linken Arm geklemmt hielt sie eine
Gasflasche, in der rechten Hand den Schlauch und das Ventil, das sie wie eine
Waffe auf ihn gerichtet hielt.
    »Ich komme
von der Hausverwaltung. Und wer sind Sie?«
    »Was machen
Sie hier?«
    Die
Konstruktion unter ihm wackelte. Teetee war sich darüber im Klaren, dass er
sich für den Moment in der ungünstigeren Position befand. Er wollte von dem
Stuhl heruntersteigen, aber die Frau kam blitzschnell näher und stand nun, das
Ventil direkt auf ihn gerichtet, keine zwei Schritte entfernt.
    »Antworten!«
    »Ich kann
mich legitimieren. Sie können gerne dort anrufen.«
    Fieberhaft
überlegte er, wen er mitten in der Nacht mit der Bitte um Legendenbestätigung
erreichen könnte. Es gab mit Sicherheit eine Vorgangsnummer für diese
Operation und Leute, die rund um die Uhr an den Telefonen saßen, um all die Märchen
zu bestätigen, die ihre Kollegen draußen in der Welt erzählten. Aber das galt
nur für Beamte im operativen Einsatz. Er gehörte zur technischen
Beschaffungsabteilung, und das hier lief unter Schadensbegrenzung. Auch wenn es
im Moment nach dem genauen Gegenteil aussah.
    Sie sah
zur Decke. »Was ist das?«
    »Ein
Rauchmelder.«
    »Halten
Sie mich nicht für blöd.« Sie wedelte mit dem Schlauch in seine Richtung. »Ich
habe hier einen Liter Magnesium-Phosphid, eine Phosphor-Wasserstoffverbindung.
Ich würde das nicht einatmen wollen. Exitus bei einem mittelschweren Mann nach
wenigen Sekunden. Wir brauchen das für Ratten.«
    Sie trat
einen Schritt näher. Teetee war klar, dass sie mit den Ratten nicht unbedingt
Vierbeiner meinte. Er versuchte, die Luft anzuhalten. Er hatte noch nie von
Magnesium-Phosphid gehört.
    »Das ist
vielleicht das Gehäuse von einem Rauchmelder. Aber was ist da drin?«
    Teetee
brachte kein Wort heraus. Er begann, am ganzen Körper zu zittern. Er hatte
keine Ahnung, was in dieser Wohnung passiert war. Er wusste nur eines: Es war
noch nicht zu Ende. Und egal, wer sie geschickt hatte, sie setzte Waffen ein,
die spätestens seit 1918 geächtet waren.
    »Also?«
Sie zielte mit dem Schlauch auf ihn wie mit einer Pistole. Ihre Finger kamen
dabei an das Ventil. Für den Bruchteil einer Sekunde zischte Gas aus der
Öffnung. Sie trat einen Schritt zurück.
    »Ups.
Entschuldigung. Das bisschen schadet noch nicht. Glaube ich jedenfalls.«
    Teetee
hatte das Gefühl, seine Kehle würde sich zusammenziehen. Er bekam keine Luft
mehr, der Boden unter ihm schwankte und kam auf ihn zu, zog sich wieder zurück,
und er hatte nur noch einen einzigen Gedanken: Ich will
hier raus. In London hatten sie einen Agenten des russischen
Inlandsgeheimdienstes mit radioaktivem Essen vergiftet. Vielleicht kam das
Zeug aus dem Irak oder der Türkei. Die Frau sah aus, als ob sie mit ihrer Gasflasche
umgehen konnte.
    »Was ist
das?«
    »Eine
Kamera«, antwortete er. Lehrsatz eins: So wenig lügen wie möglich.
    »Und wofür
ist die?«
    Lehrsatz
zwei: Wenn doch, dann so nahe an den örtlichen, personellen und kausalen
Umständen bleiben, wie es nur geht. »Zur Überwachung.«
    »Ein
kleiner Witzbold, was?«
    Wieder
tippte sie an das Ventil. Teetee zuckte zusammen. Sie wedelte mit der freien
Hand, und wenn ihm seine Sinne keinen Streich spielten, lag plötzlich ein Hauch
von Bittermandel in der Luft. Sein Magen hob sich. Zu viele Käsecracker im
Hotel de Rome. Er versuchte, sich auf eine Legende zu konzentrieren, die
einigermaßen glaubhaft klang.
    »Diese
Wohnung war ein Treffpunkt der organisierten Kriminalität. Deshalb. Darf ich
runterkommen?«
    »Nein!«
    Sie war
nicht ganz normal. Und eiskalt. Sie bewegte sich wie ein Soldat im Gelände,
dabei sah sie in ihrem Schutzanzug aus wie ein Alien in der Autowaschanlage.
    »Organisierte
Kriminalität?«
    Offenbar
wusste sie genauso wenig wie er. Also arbeitete sie nicht für einen anderen
Dienst.

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